Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 519
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Nach dem Scheitern der pazifistisch-sozialistischen Europa-Idee, d.h. zugleich
seiner revolutionären Hoffnungen und seines politischen Engagements
blieb Schickele zuerst als innerlich Gebrochener zurück. Er genas
wieder in der alemannischen Landschaft, in Badenweiler, wo er sich
1922 niederließ, und die europäische Idee, auf der Basis der deutschfranzösischen
Versöhnung, kommt nun in seinem Werk (in mehreren Essays
und in der Romantrilogie Das Erbe am Rhein) voll und verwandelt zur Entfaltung
. Die pazifistische Forderung bleibt erhalten (was er immer wieder
ablehnt, ist die parteiliche Vereinnahmung des Pazifismus)23; an Stelle
der utopisch-sozialistischen Erwartungen treten aber stärker seine humanistisch
-christlichen Anschauungen hervor, wobei gewissermaßen ein altes
römisch-katholisches Erbe reaktiviert wird24, so daß nun bei ihm von einer
humanistisch-christlichen Europa-Idee gesprochen werden darf.

Badenweiler wird für ihn in jenen 20er Jahren ein symbolischer Ort der
Mitte und der Vermittlung. So hebt er in seinem Essay Erlebnis der Landschaft
die geographische Lage hervor — die Mitte zwischen Norden und
Süden, dem Germanischen und Romanischen — symbolisch eben im Sinne
jener europäischen Vermittlungsmission: ,,Nach Avignon ist es nicht weiter
als nach München, nach Marseille nicht weiter als nach Berlin. Hier habe
ich mein Zelt aufgeschlagen."25 Der elsässische ,,Garten" erweitert sich
zur alemannischen Landschaft zu beiden Seiten des Rheins, die Einheit der
alemannischen Landschaft erscheint als Modell für Europa. Es ist dies eine
Einheit in der Zweiheit, wie auch Europa nur eine Einheit in der Vielfalt
sein kann (und wie Schickele vermerkt: die Verschiedenheit „erhöht den
Reiz der Familienähnlichkeit"26). Hier ist an das schöne und so bedeutungsvolle
Bild der ,,zwei Seiten eines aufgeschlagenen Buches" zu erinnern
:

Das Land der Vogesen und das Land des Schwarzwaldes waren wie die zwei
Seiten eines aufgeschlagenen Buches — und ich sah deutlich vor mir, wie
der Rhein sie nicht trennte, sondern vereinte, indem er sie mit seinem festen
Falz zusammenhielt. Die eine der beiden Seiten wies nach Osten, die andere
nach Westen, auf jeder stand der Anfang eines verschiedenen und doch verwandten
Liedes.

Von Süden kam der Strom und ging nach Norden, und er sammelte in sich
die Wasser aus dem Osten und die Wasser aus dem Westen, um sie als Einziges
, Ganzes ins Meer zu tragen . . .

Und dieses Meer umschloß die große, von den jüngsten, unersättlichen Söhnen
des Menschengeschlechts bewohnte Halbinsel, in die das zu gewaltige
Asien deutlich endet. . . Europa.27

Diese europäische Vision ist dem Essay Rundreise des fröhlichen Christmenschen
entnommen. Der Betrachter steht bedeutsamerweise auf dem
,,Hartmannsweilerkopf', der im Weltkrieg ein Ort schwerer Kämpfe wurde.

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