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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 525
(PDF, 143 MB)
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werden, weil die elsaßdeutsche Mundart am Aussterben ist und das Land,
was das Deutsche anbelangt, als „sprachliches Trümmerfeld"66 erscheint.
Wir sahen, wie die europäische Bedeutung des Elsaß für Schickele in der
deutsch-französischen Vermittlungsfunktion begründet liegt — die Erinnerung
an diesen Auftrag sollte heute im Elsaß ganz besonders eine Mahnung
sein, die Zweisprachigkeit (d.h. den Deutschunterricht) zu fördern. Nicht
zu Unrecht nennt sich der 1968 gegründete und wichtigste elsässische Verband
zur Förderung der Zweisprachigkeit Cercle Rene Schickele / Rene-
Schickele-Kreis.

Wenn wir nun schlußfolgernd Schickeies Europabild und die heutige Situation
vergleichen, ergeben sich Denkanstöße für Gegenwart und Zukunft.
Dabei umfaßte sein Europabild nicht bloß die heutige „Europäische Gemeinschaft
", sondern das historische Europa, das lange durch den Riß zwischen
Westen und Osten zur Utopie geworden war, und das nun, vom Geist
des Wandels ergriffen, uns mit Hoffnung erfüllt und vor neue Probleme
stellt. Schickeies Idee in aktueller Bedeutung: ein progressiv erweitertes
Europa, konzentrisch um die deutsch-französische Einheit, deren symbolischer
Ort Straßburg sein soll. Es kann sich jedoch nur um jene unitas multiplex
handeln, durch welche die regionalen Eigenarten bewahrt bleiben,
ganz besonders die Vielfalt der Sprachen und Mundarten. So lassen sich
Probleme der Minderheiten und Verführungen durch neue Nationalismen
vermeiden. Im „gemeinsamen Haus" der europäischen Völker ist die Frage
der Existenzsicherung aller Völksgruppen und ihrer Sprache von besonderer
Bedeutung. Kein europäischer Nationalstaat im Sinne des 19. Jahrhunderts
, kein Machtstaat des 20. Jahrhunderts, kein futuristischer
Super-Zentralismus, auch kein „potenzierter Amerikanismus" (wie in der
Europa-KomöA.\Q des jungen Schickele), sondern ein Europa der Vermittlung
(um nochmals diesen Kernbegriff unseres Autors zu gebrauchen), und
das beinhaltet Mehrsprachigkeit, Ubersetzung, Kommunikation, interkulturelle
Begegnung. L'intendance suivra, kein finanzielles Aufgebot ist hier zu
hoch oder ungerechtfertigt, es geht um Wesentliches! In diesem Sinn lehrt
uns Schickele „europäisch reden", diese Lehre seines „geistigen Elsässer-
tums" ist brennend aktuell. Und nicht zuletzt: wenn für uns Westeuropäer
der Begriff „Europa" allzusehr eine Sache der „Eurotechnokraten" geworden
ist, des „gemeinsamen Markts", erinnert er uns an die kulturelle Dimension
, die „gemeinsame Kultur". Bei ihm finden wir jenes Seelische und
Geistige, das Not tut, denn auch Europa lebt nicht vom Brot allein. So mag
Schickele als Beispiel für europäische Intellektuelle gelten, deren Auftrag
sein soll, Europa gedanklich zu festigen, kritisch zu überdenken, wie es zusammenfassend
Edgar Morin formuliert: penser l'Europe.67

In der Essaysammlung Die Grenze würdigt Schickele literarische Wegbereiter
der europäischen Versöhnung in schwieriger Zeit. Er schlußfolgert:
„Viel später erst folgten die Politiker" ... Und er fügt hinzu: „Jedenfalls

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