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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 559
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Wucher in der Not nicht eingetreten. Seine Ausführung, schrieb Monsch,
sei mit stürmischem Beifall bedacht worden. Möglicherweise spielte sich
alles tumultreicher ab, denn die „Offenburger Zeitung" v. 5.6., die allerdings
nicht selbst durch einen Redakteur vertreten war, berichtete, daß
„mehrere Male einige Hundert halbwüchsige Burschen" in das Innere des
Rathauses eindrangen und schreiend und johlend die Erledigung der Forderungen
verlangten. Vor dem Bezirksamt gab es offenbar auch eine Schlägerei
. In der nachfolgenden Versammlung in der überfüllten „Michelhalle"
bemerkte Monsch, „daß kein gebildeter Mensch dafür zu haben sei, daß
Roheiten begangen werden, sondern für Ordnung sorgen werde." Wie es
nun auch wirklich gewesen sein mag, Monsch mußte jedenfalls in den Notzeiten
öfters seinen Mann stellen, wie das dann auch während der französischen
Besatzungszeit der Fall war.

9. November 1919: Getrennte Gedenkfeiern der Sozialdemokraten

Konnte man wenigstens zum l. Mai noch Einigkeit demonstrieren, so fand
sich offenbar für eine „Gedenkfeier der deutschen Revolution" keine Gemeinsamkeit
: die SPD (Mehrheit) führte ihre Veranstaltung unter Mitwirkung
des Gesangvereins „Germania" und des Mandolinen- und Gitarrenvereins
im „Dreikönigsaale" durch, die Unabhängigen und der Arbeitergesangverein
„Freiheit" hielten ihre durch den Tod von Haase getrübte Feier
in der „Michelhalle" ab. Hugo Haase, Parteivorsitzender der USPD und
vom 9. 1. bis 29. 12. 1918 Mitglied des Rates der Volksbeauftragten, war am
7. 11. an den Folgen eines Attentats gestorben.

Monsch gedachte des 9. Novembers 1918: „Gleich der aufgehenden Maiensonne
sahen wir in stolzer, jauchzender Ahnung eine neue, gerechte Weltordnung
sich durch das Chaos emporringen. Mein Wort: das ist der
schönste Tag meines Lebens, hat mir die Reaktion bös angeschrieben. Heute
ist's ein Jahr seit jener heiligen Stunde. Manches ist erkämpft worden,
doch alles ist nur Talmi. An Stelle der Verwirklichung der herrlichen Sprüche
von 1889 ,Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Arbeit, Bildung, Wohlstand
für alle' sehen wir heute eine wilde Jagd nach Wucher, Profit,
Geldgier. Jeder schimpft über das Schieben und möchte doch gerne Schieber
sein! Noch niemals wurde ideales, selbstloses Menschentum mehr verlacht
als heute. Ja, Millionen Proletarier ersehnen in der Epoche nur hohe
Löhne, kürzere Arbeitszeit. — Welche Verräter und Bedrücker sind die auf
den Schultern der Arbeiter zu Ministersesseln emporgekletterten Ebert,
Noske, Geiß und all die anderen geworden." Bei aller Aversion gegen die
Genannten hält Monsch eine Einigung aller Anhänger einer sozialdemokratischen
Gesellschaft für die vordringlichste Aufgabe. Innerhalb der Partei
könne dennoch der Geisteskampf geführt werden, um den Mühseligen eine

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