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Nummer eins der vereinigten Sozialdemokraten bei den Wahlen
In der sozialdemokratischen Parteipolitik stand dagegen die Wiedervereinigung
auf der Tagesordnung, für die sich der Görlitzer Parteitag der SPD sowie
der USPD-Parteitag in Gera im September 1922 entschieden und die
dann im gleichen Monat durch den Nürnberger Einigungsparteitag der Vereinigten
Sozialdemokratischen Partei, wenn auch in der Praxis durch Anschluß
der USPD, verwirklicht wurde. In Offenburg trafen sich am 4. 10.
Ausschußmitglieder beider Richtungen zur Regelung der Personalfragen
und Aufstellung der Kandidatenliste für die am 19. 11. stattfindende Kommunalwahl
; am 6. 10. kamen die Mitglieder beider Gruppen in der Mundin-
ger'schen Wirtschaft zur Wahl des Vorstandes zusammen. In einer Ansprache
erinnerte Monsch an jenen unheilvollen Abend, als die Spaltung
der mächtigen Arbeiterpartei auch in Offenburg beschlossen werden sollte
und er die Mitglieder nochmals dringend ermahnt habe, trotz der Gegensätze
gemeinsam für ihr Ziel zu kämpfen. Damals habe er betont, daß mit der
Dauer der Spaltung auch die Entfremdung der Genossen wachse. Trotz des
freudigen Anlasses säßen die Gruppen noch an getrennten Tischen, die Parteiliebe
sei erkaltet. Man solle sich deshalb nicht gegenseitig die Fehler vorwerfen
, sondern müsse sich die gemeinsamen Interessen vor Augen halten.
Bei schwacher Wahlbeteiligung erhielt die VSPD mit ihrem Spitzenkandidaten
Monsch 18 Sitze im Bürgerausschuß, während die beiden sozialdemokratischen
Parteien bisher zusammen mit 25 Sitzen vertreten waren.
Monsch wurde wieder mit drei weiteren Genossen in den Stadtrat gewählt.
Repräsentant der Stadt während der französischen Besatzungszeit
Nachdem am 11. Januar 1923 60000 französische und belgische Soldaten
wegen rückständiger Kohlelieferungen in das Ruhrgebiet einmarschiert waren
, bekam ein paar Wochen später auch die Ortenau eine französische Repressalie
zu spüren. Da die Reichsregierung vom 31. Januar 1923 an den
Verkehr der beiden internationalen Züge Paris-Bukarest und Paris-Prag unterbunden
hatte, protestierte die frz. Regierung am 2.2. gegen diese Maßnahme
, der die Einstellung der Fernzüge Paris-Berlin-Warschau/Riga vorausgegangen
war, und weitete als Sanktion den Brückenkopf Kehl in der
Weise aus, daß die Bahnhöfe Appenweier und Offenburg eingeschlossen
wurden. Die frz. Regierung bezeichnete die Einstellung der Fernzüge als
Verletzung des Artikels 367 des Friedensvertrages von Versailles, der Bestimmungen
über internationale Transporte durch Deutschland enthält.
Die Besetzung von Offenburg durch frz. Einheiten des 170. Inf .-Regiments,
des 8. Husarenregiments und anderer Truppenteile erfolgte in der Frühe des
4. Februar und schuf sofort die größten Probleme: 1 700 Mann, 50 Offiziere
und 1000 Pferde mußten untergebracht werden; die Offiziere gegen Selbst-
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