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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 605
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Doch noch hat Dinter seinen Helden nicht soweit, daß er aus diesem arischen
Rassismus auch praktische Konsequenzen zieht. Ein zweites Kind
will Kämpfer noch von Elisabeth haben, und als sie sich seinem Verlangen
nach langem Sträuben und trotz besserer Einsicht endlich fügt, erwacht in
Kämpfer die Lust am rassischen Experiment. Alles wird Elisabeth nun nach
dem Gesichtspunkt guter oder rasseschädlicher Einflüsse verabreicht oder
vorenthalten — sogar die Musik wird nach förderlichen Adagio- und Andantesätzen
einerseits, nach abträglichen Scherzi und Presti andererseits geschieden
; durch behutsame Auswahl des Lesestoffs wird sichergestellt, daß
Elisabeth nur völkisch-aufbauende Voll wertkost erhält — gleichwohl: herauskommt
wiederum ein schwarzer, wenngleich diesmal auch bildschöner
Judenknabe. Die Mutter aber, die das Kind zu sehen wünscht, schreit laut
auf und — stirbt, und bald darauf auch das Kind selbst.

Noch vor Elisabeth allerdings war der Schwiegervater gestorben. Nun ergibt
die Durchsicht seiner Bücher, daß der jüdische Kommerzienrat Renten
an 117 Frauen und Kinder ausgesetzt hatte. Da er offensichtlich lebenslang
nicht nur seinen Lüsten gefrönt, sondern mit seinem Vergiftungswerk an der
germanischen Rasse infernalische Ziele verfolgt hat, ist es nicht mehr als
recht und billig, daß der nunmehrige Alleinerbe die 264 Millionen Mark
Barvermögen zum Kampfe gegen das Judentum zu verwenden sich entschließt
, denn ,,er hatte die feste Zuversicht, daß das deutsche Volk ganz
von selbst Mittel und Wege finden werde, sich dieses Feindes zu entledigen,
wenn es ihn erst in seiner ganzen Furchtbarkeit und Heimtücke erkannt
habe".25

Gleichwohl sollte Hermann Kämpfer nach dem Willen seines Schöpfers
nicht ohne einen würdigen Stammhalter bleiben. In der Stunde seines tiefsten
Schmerzes nämlich erinnert er sich Röschen Brunners, einer verflossenen
Geliebten, von der er noch zwei ungeöffnete Briefe verwahrt. Aus dem
ersten erfährt er nun, daß er sie einst zur Mutter gemacht hat, durch den
zweiten, daß sie sich beim Treppenaufwaschen verkühlt habe und auf dem
Sterbebett liege. Kämpfer müßte über kein Gewissen verfügen, würde er
Rösles Treue nicht vergelten und dem gemeinsamen Sohn wenigstens eine
rassenbewußte Erziehung angedeihen lassen. Und da Kämpfer nun über einen
ehelichen, wenn auch jüdisch-verderbten Sohn namens Heinrich verfügt
sowie über einen unehelichen, dafür reinrassigen, der die Ehre hat,
nach seinem Vater zu heißen, liegt nichts näher, als vergleichende Rassenkunde
zu treiben. Und siehe da: Eine von Dinter arisch präparierte Wirklichkeit
tut Kämpfer den Gefallen, seine abstrusen Rassetheorien aufs
schönste zu bestätigen: Während Hermann am Leben tätigen Anteil nimmt
und sich als Charakter die Welt erobert, drückt sich der feige Heinrich immer
nur an des Vaters Hand herum und weiß alles bloß vom typisch jüdischen
Nützlichkeits- und Rendite-Aspekt her zu betrachten. Hermann
schließt Freundschaften und schwört Treue bis in den Tod - aber von sei-

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