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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 645
(PDF, 143 MB)
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,,... das gesunde Volksempfinden auf das Gröbste
verletzt."

Die Offenburger Strafjustiz und der „verbotene Umgang
mit Kriegsgefangenen" während des 2. Weltkriegs

Bernd Boll

,,Im Namen des deutschen Volkes! Die Wilhelm B. Ehefrau, Euphrosine
geb. L. aus S. wird wegen verbotenen Umgangs mit einem französischen
Kriegsgefangenen zu Zuchthausstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten, auf welche
1 Monat Schutz- und U-Haft angerechnet wird, und zu den Kosten des Verfahrens
verurteilt." Die Zweite Strafkammer des Landgerichts Offenburg
fällte am 30. Oktober 1942 dieses Urteil gegen eine vierzigjährige Frau aus
G., die einige Male mit einem französischen Kriegsgefangenen geschlafen
hatte. Die Beziehung wurde durch eine Denunziation verraten: Bürgermeister
H. aus G. gab eine Mitteilung an die Polizei weiter, die ihm der Wachmann
des Kriegsgefangenenkommandos gemacht hatte. Im Verhör durch die
Gestapo gab die Frau die Vorwürfe zu; obwohl sie wußte, daß in G. auch
andere Frauen Beziehungen zu Kriegsgefangenen hatte, denunzierte sie keine
von ihnen. Ihr Ehemann, Soldat bei der Wehrmacht, stand zu seiner Frau
und war bei der Gerichtsverhandlung anwesend. Die Öffentlichkeit dagegen
wurde wegen „Gefährdung der Sittlichkeit" ausgeschlossen und erst zur
Urteilsverkündung wieder zugelassen.

Zur Begründung für die harte Strafe führte das Gericht aus: ,,Im vorwürfigen
Falle hat sie sich in schamloser Weise als ehr- und pflichtvergessene
Frau und Mutter aufgeführt. Sie war es, die den Anstoß zur Tat gegeben hat,
sie hat, anstatt der an sie herangetretenen Versuchung aus dem Weg zu gehen
, jede Gelegenheit gesucht, um mit dem Kriegsgefangenen in Berührung
zu kommen. Sie hatte regelmäßigen Geschlechtsverkehr mit ihrem Ehemanne
, war also nicht genötigt, Ehebruch zu treiben, noch dazu mit einem
Kriegsgefangenen, dem sie sich förmlich an den Hals geworfen hat. Ein solches
würdeloses Verhalten ist derart verwerflich, daß es als gröblicher Verstoß
gegen das gesunde Völksempfinden aufgefaßt und entsprechend dem
ehrlosen Gebaren mit einer entehrenden Strafe gesühnt werden muß." Frau
B. wurde zur Verbüßung ihrer Strafe in das Frauenzuchthaus Hagenau im
Elsaß eingeliefert. Nachdem ihr Mann Anfang November 1942 Gnade für
seine Frau beantragt hatte, wurde die Reststrafe vom 6. Februar 1944 an auf
Bewährung bis zum 1. März 1947 ausgesetzt.1

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