Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 657
(PDF, 143 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0657
Gefängnis. Auf vier Monate Gefängnis, auf die dreieinhalb Monate Untersuchungshaft
angerechnet wurden, lautete schließlich der Spruch der
Richter; außerdem hatte die Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen
. Zum Strafmaß hieß es in der schriftlichen Urteilsbegründung: ,,Die
Tat verdient, zumal wenn man noch den Bildungsstand der Angeklagten berücksichtigt
, eine strenge Sühne. Wenn man eine Gefängnisstrafe von vier
Monaten für ausreichend erachtet hat, so nur, weil die Angeklagte noch
nicht vorbestraft ist und man nicht für widerlegt hält, daß eine durch
Basedow-Erkrankung herbeigeführte Überreiztheit und etwas krankhafte
Verstiegenheit viel zu der Tat beigetragen haben mögen. Die Tat scheint
mehr das Ergebnis einer sprunghaften Unbedachtsamkeit, als der Ausfluss
einer sittlichen Verkommenheit." Der Anwalt verzichtete auf Rechtsmittel;
nachdem Frau R. noch zwei Wochen im Offenburger Gerichtsgefängnis
verbracht hatte, wurde sie am 15. September 1940, um 13 Uhr, entlassen.
Sieben Jahre später, am 28. Oktober 1947, hob die Strafkammer des Landgerichts
Offenburg das Urteil auf.29

Ein anonymer Brief und seine Folgen

Stefanie L., geboren am 7. Juli 1909, lebte mit ihrem Mann und ihren drei
Kindern zwischen 4 und 10 Jahren auf dem Versuchsgut E. bei G. Der
Mann war der Verwalter des Guts und inzwischen zur Wehrmacht eingezogen
worden, Frau L. arbeitete dort als Geflügelzuchtgehilfin. Auf Grund eines
anonymen Schreibens, das sie einer Liebesbeziehung zu einem französischen
Kriegsgefangenen beschuldigte, nahm die Gestapo sie am 12. Mai
1943 in Schutzhaft. Im Verhör gab Frau L. an, daß sie zwischen November
1942 und März 1943 drei Mal mit dem französischen Kriegsgefangenen
Louis S. geschlafen hatte. Daraufhin nahm die Gestapo alle Frauen fest, auf
die das anonyme Schreiben, dessen Verfasser nicht ermittelt werden konnte,
angespielt hatte.

Am 18. Mai wurde gegen Frau L. Haftbefehl erlassen. Vier Tage später widerrief
sie ihr Geständnis: sie habe zwar mit S. sexuell verkehrt, doch sei
es nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen. S., der bereits im Stalag VC
inhaftiert war, bestritt bei seinem Verhör am 21. Mai jeglichen Kontakt mit
deutschen Frauen. Das Gericht schenkte den Aussagen von Frau L., auch
dem Widerruf ihres ursprünglichen Geständnisses, Glauben: Auf ein Jahr
Gefängnis lautete das Urteil am 18. Juni 1943. Es fiel deswegen nicht härter
aus, weil das Gericht die Schuld bei dem Kriegsgefangenen sah, der Kontakte
mit deutschen Frauen gesucht habe. Einen Revisionsantrag, den der
Staatsanwalt sofort gestellt hatte, zog er zurück, nachdem er die schriftliche
Urteilsbegründung zur Kenntnis genommen hatte.

Zur Verbüßung ihrer Strafe wurde Frau L. am 23. November 1943 von G.
in die Strafanstalt Gotteszell bei Schwäbisch-Gmünd transportiert, wo sie

657


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0657