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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 668
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Folge. Die wichtigsten Mittel hierzu waren das System der „Vor- und Nachschauen
", die vom Spätherbst 1942 an in allen Oberlandesgerichtsbezirken
eingeführt wurden, und die ,,Richterbriefe", die Reichsjustizminister Thie-
rack von Oktober 1942 bis Dezember 1944 einmal im Monat an die Gerichte
verteilen ließ. Die „Vor- und Nachschauen" räumten den Oberlandesgerichtspräsidenten
im Prinzip erheblichen Einfluß auf die Rechtsprechung in
ihrem Bezirk ein, den sie allerdings regional sehr verschieden nutzten. Die
,,Richterbriefe" skizzierten und kommentierten wichtige Gerichtsentscheidungen
, um die Richter auf eine einheitliche Rechtsprechung im Krieg festzulegen
. Allerdings hielt sich die Lenkung der badischen Gerichte durch
den Karlsruher Oberlandesgerichtspräsidenten in Grenzen: er gab, wie viele
seiner Kollegen, lediglich grundsätzliche Richtlinien bekannt und initiierte
den ,,Meinungs- und Informationsaustauch" zwischen den Gerichten
seines Bezirks.60

Ende 1943 hatte sich die Rechtsprechung weitgehend vereinheitlicht: „Geschlechtsverkehr
mit Kriegsgefangenen wird bei deutschen Frauen in der
Regel mit Zuchthausstrafen bis zu drei Jahren geahndet, wobei im Fall der
Fluchthilfe in schweren Fällen bis zu 6 und 8 Jahren erkannt worden ist."61
Angesichts dieser Eingriffe in die Rechtsprechung stellt sich die Frage, inwieweit
die damaligen Richter als unabhängig bezeichnet werden können.

Der § 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877, der noch heute
Gültigkeit hat, wurde auch während des NS-Zeit niemals außer Kraft gesetzt
. Er regelt die Unabhängigkeit der richterlichen Gewalt, die durch nur
„dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt" werde.62 Die Bindung des
Richters an das Gesetz bestand auch in der Nazizeit fort, wurde aber, mit
den Worten des NS-Strafrechtlers Heinrich Henkel, nun von der „Bindung
an die leitenden Grundsätze der Staatsführung" flankiert.63 Der Frankfurter
Strafrechtler Dieter Simon beurteilt die Lage der Richter im NS-Staat
durchaus als unabhängig, wenn auch nicht „nach unserer heutigen Auslegung
".64

Der § 4 der Wehrkraftschutzverordnung war eine der politischen Normen
des NS-Systems, an denen kein Richter vorbeikam. Entscheidend ist aber,
wie er den Einzelfall beurteilte, was er als strafverschärfenden, was als mildernden
Umstand in die Waagschale warf. Und genau hier, in der Bewertung
eines Vergehens, lag die eigentliche Unabhängigkeit der Justiz. Wie
also kamen die Offenburger Richter zu ihren Urteilen? Wie beurteilten sie,
ob ein schwerer oder leichter Fall vorlag, ob eine Gefängnis- oder Zuchthausstrafe
zu verhängen war — und in welcher Höhe?

Die Kasuistik differenzierte zunächst nach dem Status einer Frau: je nachdem
, ob sie ledig, verheiratet oder gar mit einem Soldaten verheiratet war,
wurde ein Fall unterschiedlich beurteilt.65 Überdies waren bestimmte Umstände
der Tat ausschlaggebend: „Bei der Strafzumessung wird beachtet.

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