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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 707
(PDF, 143 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0707
Gründung der Pfarrei Ottenhofen in den
Jahren 1823 / 24 kommt sehr ausführlich zu
ihrem Recht.

Einen deutlichen Einschnitt setzt das zweite
Kapitel mit der Gründung der politischen
Gemeinde im Jahr 1818, um dann den Bogen
bis zum Ende des Kaiserreiches zu
schlagen. Spätestens hier „weist die Geschichte
Seebachs ... tatsächlich eigene,
unverwechselbare Merkmale auf, so die
von Dr. Pillin schon im Vorwort geäußerte
Erwartung, als „die politische Stimmung in
der Gemeinde durch Josef Schneiders Wirken
" (Bürgermeister von 1861—82) , .bei allen
Wahlen am entschiedensten zugunsten
der Regierung hervorgetreten sei." Infolgedessen
sei von der „clericalen" Partei des
Nachbarortes Ottenhofen unter Dekan Lender
nicht einmal ein ernstlicher Versuch
der Agitation auch nur gewagt worden; so
zu lesen im Ortsbereisungsbericht von
1871.

Aber auch die jede Epoche tragenden Kräfte
, die kleinen Leute, kommen in diesem
Buch zu ihrem Recht. So in der ausführlichen
Darstellung der wirtschaftlichen und
sozialen Verhältnisse in der Land- und
Forstwirtschaft etwa, aufgipfelnd in sozialen
Krisenerscheinungen und im bedrük-
kenden Kapitel der Auswanderungen.

Immer deutlicher markieren im weiteren
Fortgang die Daten der europäischen wie
der deutschen Geschichte die Fortentwicklung
des Ortes. So beispielsweise in der
Schilderung der schweren Jahre der ungeliebten
Ersten Republik von Weimar und
vor allem der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
samt der Realisierung der
Zielsetzungen der braunen Partei. Hier
werden wie schon in der Aufarbeitung der
Historie Ottenhofens feinfühlig und doch
immer dem historischen Faktum verpflichtet
Irrungen, aber auch Standhaftigkeit der
damals Verantwortlichen beschrieben. Die
das Kapitel „Zweiter Weltkrieg" einleitende
Nachricht vom Tod des ersten Seebacher
Bürgers an der Front läßt den interessierten
Leser ebensowenig unbeteiligt wie das düstere
Kapitel Zwangssterilisationen oder
die dramatische Beschreibung des Kriegsendes
, in dem der „Lorenze-Bur" Andreas
Huber nicht fehlen darf.

Bessere Zeiten mit zum ersten Mal für breite
Schichten entstehendem Wohlstand kündigen
sich in der Folge am Horizont an. Sie
sind Gegenstand des Kapitels „Aufwärtsentwicklung
Seebachs nach dem Zweiten
Weltkrieg (1945 bis 1990)". Die französische
Besatzungszeit, die Ära Karl Sackmann
und die weitere stetige Aufwärtsentwicklung
des Gemeinwesens seit dem
Beginn der Amtszeit von Bürgermeister
Gerhard Bär setzen hier Marksteine bis in
unsere Tage. Aber auch dem Engagement
der Vereine des Ortes ist zu Recht ein Kapitel
gewidmet, ebenso dem Wappen des Ortes
. Gegen Ende des Buches schließen sich
— und hier erwirbt sich der Verfasser ein
besonderes Verdienst —, in Urfassung abgedruckte
, ausgewählte Sagen um und
außerhalb des Mummelsees an. Der
reichhaltige Anhang hat die Namensregister
der Seebacher Gemeinderäte, der Ratschreiber
und Rechner, der Waldvorstände,
der Stiftungs- und Prärrgemeinderäte ebenso
zum Gegenstand wie die Lehrkräfte der
Schule, die mit Ehrungen und Auszeichnungen
bedachten Personen und auch die
Primizianten des Ortes.

Das Buch geriet den Erwartungen seines
Verfassers entsprechend nicht zu einer mit
geschichtlichen Darstellungen von Nachbarorten
leicht zu verwechselnden Kopie, sondern
gewann sein eigenständiges, nicht austauschbares
Profil.

Mit Pillins Buch kann übrigens auch mit
Gewinn von dem gearbeitet werden, der
Geschichte berufsmäßig zu vermitteln hat.
An regionalen und lokalen Ausschnitten historischer
Realität nämlich historische
Kompetenz zu entfalten, scheint im gegenwärtigen
Tal der Geschichtsdidaktik ein erfolgversprechender
Zugang zu sein. Er
rückt in besonders geeigneter Weise Stoff
und Lernenden gemeinsam ins Blickfeld
dessen, der geschichtliches Lernen zu organisieren
hat. Lokalgeschichtliche Phänomene
, die Gehaltssprünge des Schuldieners
etwa im Inflationsjahr 1923, können so als
hochmotivierende Reizelemente geschichtlichen
Lernens eingesetzt werden.

Ludwig Huber

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