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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
72. Jahresband.1992
Seite: 206
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Im Gegensatz zu Sendling, der bei Gewinnung neuer Erkenntnisse die Idee
in den Vordergrund stellte und die Tatsachenforschung zur bloßen Hilfswissenschaft
degradierte, entwickelte Oken schon sehr früh eine wissen-
schafts-methodische Grundeinstellung, die der exakten Forschung galt. Für
ihn war „die Empirie das Objekt ohne Handeln, die Spekulation das Handeln
ohne Objekt"14. Er versuchte, beides miteinander zu verbinden, was
aus seiner Vorrede zum „Lehrbuch der Naturphilosophie" (2. Bd., Jena
1809/11) hervorgeht:

„Ich weiß nicht, durch welche Schrift ich Veranlassung gegeben habe, von
mir zu glauben, als untersuche ich nicht natürliche Dinge und ich hätte Freude
daran, in fantastischen Regionen der Spekulation, die nur über sich spekuliert
, herumzufahren, da mir vielmehr dieses Zeug widerlich ist und doch
alle meine Schriften bloß naturhistorische, physiologische und medizinische
Gegenstände abhandeln".

Okens Naturphilosophie gipfelte in der kühnen Behauptung, daß alles Leben
aus Urschleim im Meere entstanden sei. Die hier existierenden Infusorien
sind, wie er es ausdrückte, „Urthiere, von denen ich behaupte, daß sie bei
der Schöpfung ebenso allgemein und unvertilgbar entstanden wie Erde, Luft
und Wasser, daß sie, wie diese Elemente in ihrer Sphäre, Elemente in der organischen
Welt sind und nicht bloß den Urstoff der Thiere, sondern auch
den der Pflanzen ausmachen"15.

Wie Kaspar Friedrich Wolff, dessen Dissertationsarbeit „Theoria generatio-
nis" (Halle 1759) in Vergessenheit geraten war, erkannte Oken erneut, daß
weder im Samen noch im Ei ein fertig angelegter Körper vorhanden war.
Aus dem Keimling, einem amorphen Bläschen, entwickele sich erst nach
der Befruchtung ein Fötus. Dabei habe der Samen zersetzende Wirkung,
und wie aus der Fäulnis des Bodens neues Leben emporsprießt, entstehe
nun ein neues Wesen, das als Embryo alle Stufen der niederen Organismen
zu durchlaufen habe. Alle Tiere seien in ihrer Entwicklung zum Menschen
stehengeblieben und sozusagen unfertige Menschen.

Durch Umbildung der vordersten Wirbel hätten sich aus schädellosen Lebewesen
Schädeltiere entwickelt. Der Schädel, der den Wurm zum Fisch
macht, war nach Okens Auffassung ein Privileg des Tieradels.

Oken sah in der Natur ein lebendiges Ganzes, in dem die gleichen Kräfte
wirkten wie im Menschen. Sie war bewußtloser Geist, Geist aber zum Bewußtsein
erwachte Natur, in der die geheimnisvolle Schöpferkraft existierte
. Der Mensch galt ihm als Maß und Messer der Schöpfung, er sei gottgewolltes
Endziel eines komplizierten Entwicklungsweges.

Das umfassende Wissen, das sich Oken angeeignet hatte, erlaubte ihm, bei
der Forschung aus dem Reichtum seiner naturwissenschaftlichen Kenntnis-

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