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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
72. Jahresband.1992
Seite: 221
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Knochen aber beim Menschen fehle. Oken konnte sich nicht mit diesen Ansichten
identifizieren, denn bei Untersuchungen an Kinderschädeln hatte er
erkannt, daß an allen die Gaumennaht ganz deutlich vorhanden war.

Unabhängig voneinander entwickelten Goethe und Oken auch ihre Theorie
vom Aufbau des Schädelgerüstes durch Umbildung von Wirbelknochen.

Goethe hoffte, mit den Resultaten seiner anatomischen Studien Ruhm und
Anerkennung zu finden, aber die Fachwelt schenkte seiner „Abhandlung
aus dem Knochenreiche" wenig Beachtung, zumal sie bis auf weiteres unveröffentlicht
blieb.

Oken hingegen gab seine Erkenntnisse in seiner Antrittsvorlesung52, die er
am 9. November 1807 in Jena hielt, der Öffentlichkeit preis. Sein Programm
„Über die Bedeutung der Schädelknochen" hatte er vorher bei Johann
Gottfried Göpferdt in Bamberg vervielfältigen lassen und den Honoratioren
als Empfehlung zugesandt. Auch Goethe erhielt ein Exemplar mit
persönlicher Widmung. Betroffen nahm er zur Kenntnis, daß Oken zu den
gleichen Forschungsergebnissen kam wie er.

Auf einen Artikel in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung" vom 3. April
1836 erwiderte Oken am 20. Juni 1836:

„Wegen Goethe erkläre ich hiermit jedem, der sagt oder zu verstehen gibt,
ich wäre mittelbar oder unmittelbar durch Goethe auf meine Idee von der
Wirbelbedeutung der Schädelknochen gekommen, für einen boshaften Lügner
, Verleumder und Ehrabschneider"53.

Bei den würdelosen Auseinandersetzungen um die Priorität befand sich
Oken in einer weitaus schlechteren Position als Goethe. Dem jungen Gelehrten
, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, war es nach entbehrungsreichen
Jahren gelungen, sich als geachteter Hochschullehrer in Jena zu etablieren
. Er konnte es sich nicht leisten, seinen mühsam erworbenen Ruf
durch boshafte Unterstellungen ruinieren zu lassen, deshalb reagierte er mit
zunehmender Schärfe auf die gegen ihn geführten Attacken.

Trotz seiner persönlichen Abneigung respektierte Goethe, wie einem Gespräch
vom 11. März 1828 mit Eckermann zu entnehmen ist, den großen
Naturwissenschaftler:

..... Es gibt kein Genie ohne produktiv fortwirkende Kraft, und ferner, es

kommt dabei gar nicht auf das Geschäft, die Kunst und das Metier an. das einer
treibt, es ist alles dasselbige. Ob einer sich in der Wissenschaft als genial
erweist, wie Oken und Humboldt, oder im Krieg und der Staatsverwaltung
wie Friedrich, Peter der Große und Napoleon, oder ob einer ein Lied macht

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