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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
72. Jahresband.1992
Seite: 365
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Zufall in der Gotik?

In der Architektur einer gotischen Kirche, eines Münsters gar vom Range
Straßburgs, ist nichts zufällig. Es sollte sich herumgesprochen haben, gerade
vor dem Hintergrund einer langjährigen wissenschaftlichen Erforschung
der gotischen Architektur wie der christlichen Ikonographie: Allein schon
der Gedanke an den Zufall, an das unbeabsichtigte Geschehen sowohl in
der Schöpfung, wie in ihrem Abbild, der Kirche, wäre im Denken jener Zeit
Häresie gewesen.

Auch für die individuelle, freie, künstlerische oder architektonische Gestaltung
des Sakralraumes, wie wir sie heute kennen und nicht nur von Chagall
oder Meistermann in großen Glasfenstern finden, gab es keine Chance. Auf
dem Konzil von Nicea 787 bereits war nämlich deutlich genug festgehalten
worden, wer das Sagen hat: „Die Komposition der Bilder ist nicht der Initiative
der Künstler überlassen. Sie verhilft den Prinzipien zum Ansehen,
die durch die katholische Kirche und die religiöse Tradition festgesetzt
sind. Nur die Kunst kommt dem Künstler zu, die Anordnung und Disposition
ist Sache der Väter"8.

Gotischer Münsterbau

Die Architekten und Meister der gotischen Münsterbauhütten standen daher
notgedrungen in regem Kontakt mit den geistigen, philosophischen
Zentren ihrer Zeit, den scholastischen Universitäten der Kirche9. Sie waren
bildungsmäßig auf der Höhe ihrer Zeit. Sie studierten die Texte der Gelehrten
und nahmen die aktuelle scholastische Literatur zum Kirchenbau als
dem Haus der ideellen Kirche zur Kenntnis. Der theoretische wie praktische
Wissensstand der „Arbeiter am Haus Gottes" war außerordentlich
hoch.

An der Universität, in Kirche und Kloster wurde beispielsweise auch das
Fach Astronomie gelehrt und gelernt und das Wissen von dort weitergegeben
. Das zeigt sich nicht nur in der bildnerischen, skulpturalen Umsetzung
von astronomischen Sachverhalten (Zodiakus-Zyklen, Sonnenuhren etc.)
schon im Skulpturenschmuck der romanischen Kirche, sondern auch in der
Nutzbarmachung astronomisch-astrologischer Kenntnisse beim Kirchenbau
, der ja allein schon durch die vorgeschriebene Ostung einschlägige
Kenntnisse voraussetzte. Es war ein Leichtes, den Herbst- oder Frühjahrsbeginn
festzustellen, mit Hilfe eines Gerätes sogar zu messen, wann die
Sonne unter welchem Winkel zu einem Erdenpunkt steht. Und muß noch
auf die lange Geschichte auch der Mathematik, auf Eratosthenes und Eu-

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