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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
72. Jahresband.1992
Seite: 370
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sieht. Der Franziskanermönch Wilhelm von Ockham (1285-1349) widerlegt
die scholastischen Gottesbeweise: Man kann Gott nicht beweisen, sondern
muß ihn existentiell erfahren. Das ist das Kernthema der neuen Religiosität
, der Mystik.

Einer ihrer Hauptlehrer war Meister Eckehart (1260-1328), Dominikaner,
Schüler von Albertus Magnus und Lehrer zeitweise auch in Straßburg, wo
er einen wichtigen Mystik-Schüler hatte, Johann Tauler (gest. 1361).

Die Mystik verlangt abgeschiedene Gebete und deshalb auch abgeschiedene
Gebetsräume. Ihr Raum ist nicht mehr das große Kirchenschiff, sondern
die stille Kammer: In die großen Kathedralen werden Kapellen eingebaut
zur persönlichen Auseinandersetzung des Gläubigen mit Gott, in Straßburg
beispielsweise 1316 die Marienkapelle mitten ins Münster, zwischen den
ersten und zweiten Pfeiler im nordöstlichen Langhauswinkel. Warum gerade
hier? Die Frage wird uns später beschäftigen.

Jüdische Philosophie des Mittelalters

Es gab zur Zeit des Mittelalters noch eine andere Gruppe, die sich intensiv
mit dem Glauben, mit Gott, mit dem Sinn der Welt und ihrer Erforschung
befaßte. Und darin hatte sie eine erheblich größere Erfahrung und Tradition
als die katholischen Scholastiker und Mystiker: die Juden. Die Qualität ihrer
Philosophie beeinflußte (in bis heute aus vielen Gründen nur ungenügend
erforschtem Ausmaße) auch das christliche Denken.

In Straßburg lebte schon im frühen Mittelalter eine jüdische Gemeinde. Sie
ist 1188 urkundlich erwähnt, ist aber mit Sicherheit älter. Der hispano-jüdi-
sche Weltreisende Benjamin von Toledo schilderte im 12. Jahrhundert die
jüdische Gemeinde Straßburgs als eine der blühendsten Deutschlands. Ihr
grausames Ende ist allgemein bekannt: die Pogrome von 1348/49, die im
Gefolge der Pestepidemie nahezu überall wüteten, führten auch in Straßburg
zur Zerstörung jüdischen Lebens. Zur Zeit des Münsterbaues aber
lebte die Gemeinde noch.

In den Jahren vor dem Pogrom - und hier sind wir wieder mitten in der uns
interessierenden Zeit -, wird die Anwesenheit von Juden mit großer Wahrscheinlichkeit
ein zusätzlicher Garant dafür gewesen sein, daß die geistige
Auseinandersetzung mit den Schriften und Theorien des Judentums auch in
der Münsterstadt stattfinden konnte. Das hieße konkret: auch in Straßburg
befaßte man sich mit dem Werk des südspanisch-ägyptischen Rabbi Moses
Maimonides (1135 - 1204). Dieser bedeutende jüdische Philosoph hat nicht

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