http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1992/0496
„II ne reste que l'ombre"
Ein Lesezeichen als Lebenszeichen
Johannes Werner
Für Hans Heid
Daß in Büchern etwas steht, versteht sich von selbst. Aber manchmal liegt
auch etwas in ihnen, was irgendein Leser liegen ließ - ein Lesezeichen;
zwar nur sehr selten ein Salzhering oder eine Speckschwarte (wie der Bibliothekar
argwöhnt, wenn er sieht, wie
seine Bücher aussehen), aber doch oft
eine Blume, eine Blüte oder ein Bild.
Rau/WuDVoFWVL
Wohl jede Bibliothek führt, gleichsam
als Treibgut, derlei mit sich; so auch die
Historische Lehrerbibliothek des Ludwig
-Wilhelm-Gymnasiums in Rastatt,
die (was längst nicht jeder weiß) eine
der bedeutendsten des Landes ist1. In einem
ihrer vielen Bücher lag das Bild,
das hier nun wieder abgebildet wird. Es
ist knapp 11 x 18 cm groß und zeigt
eine Silhouette in einem ovalen, mit
Laub drapierten Rahmen; darüber die
Schrift: „RaYMVnDVs PraesVL"; und
darunter: „VIVat aC VIresCat. SVperl
alant, Fiat". Die winzige Silhouette
wurde ausgeschnitten und aufgeklebt,
und eine feine Feder fügte sogar noch
die Wimper hinzu; der Rahmen wurde
getuscht und laviert; die Schrift in zwei
Farben geschrieben, mit ein paar Schnörkeln geschmückt und einigermaßen
zentriert. Das Ganze wurde zweifellos mit größter Sorgfalt ausgeführt -
doch wozu dieses Ganze?
Die Silhouette zeigt, nach links gewendet, das Profil eines Mannes mit langem
Bart und zurückgeschlagener, dennoch überdeutlich dargestellter Kapuze
: also wohl eines Kapuziners; und der Text nennt seinen Namen: Raymund.
Derselbe Text nennt aber auch noch etwas anderes, insofern er nämlich
zugleich ein sogenanntes Chronogramm ist; d. h., daß die groß (und hier
zudem rot) geschriebenen Buchstaben als römische Zahlen zu lesen und
diese zusammenzuzählen sind; woraus sich, als Summe, hier ergibt: 1792.
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