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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 322
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1994/0322
tig für die vierzehnjährige Agatha Gatterin einsetzte, den Freispruch erwirkte
und sie nach Konstanz zu einer Familie in Sicherheit bringen ließ.
In diesem Prozeß hatte ein Rechtsberater, Dr. Metzger, empfohlen, das bislang
gütlich verhörte Kind zur Sicherheit auch der peinlichen Inquisition
durch die Tortur zu unterziehen und - ich zitiere wörtlich: „nach Befindung
der Missetat die geliebte Iustitiam zu administrieren und exse-
quieren".43 Das hätte in ihrem Fall bedeutet, sie bis zum Erreichen des 16.
Lebensjahres im „Christoffelturm" zu lassen und sie dann zu verbrennen.
Die Hauptsache schien für Metzger, den juristischen Doktor, darin zu bestehen
, daß ja die „geliebte Iustitia", und war sie noch so unmenschlich,
vollzogen werde.

Rapp hatte für die Mutter nichts mehr tun können. Ihr wurde der Kontakt
zu dem Kirchherrn ab dem 11. Dezember 1601 nicht mehr erlaubt. Im
Falle der Tochter Agatha Gwinner riet Rapp am 30. November 1601 folgendes
, um das „Aufziehen" und Schlimmeres zu verhindern: Das
Mädchen soll in einem „stillen Stübchen der elenden Herberge" an die
Kette gelegt werden. Durch dieses kirchliche Mittel seien nach 14 Tagen
die „Verbrechen" gesühnt. Tatsächlich hörte der Stadtrat auf Rapp und die
Bitten der Familie, die junge Frau kam ohne weitere Tortur frei. Sie ging
nach Weissenburg, heiratete 3 Jahre darauf und durfte danach sogar ihren
Vater in Offenburg besuchen.44

Die vom Kirchherrn Rapp listig ausgedachten vierzehn Tage Kettenhaft
retteten Agatha das Leben. Mitmenschen, die sog. Hexen helfen wollten,
befanden sich auf einer Gratwanderung. Durch allzu offenes Eintreten
konnten sie selbst in Verdacht und in die Verfolgungsmaschinerie geraten.
Erinnert sei hier an Friedrich von Spee.

Vergleiche ich Rapps Verhalten mit der Art, wie andere, katholische wie
evangelische Pfarrherren in abstoßender Weise mit den Wölfen heulten, so
muß man ihm Achtung zollen. Etwas unkonventionell, aber letztlich erfolgreich
, erreichte er, wie Lazarus Rapp bestätigt, „für die Delinquenten durch
Fürbitte Milderung oder gänzliche Abnahme der Strafe".

Von einem mit ihm befreundeten Prälaten von Altdorf wird berichtet, daß
er verfolgten Frauen Asyl gewährte - z. B. den Schwestern der Else Gwinner
-, den Stadtrat in juristische Verhandlungen verwickelte und so für die
Rettung seiner Schutzbefohlenen Zeit gewann.45

Der Offenburger Stadtrat verzichtete leider bald nicht mehr auf Rechtsgutachten
, dafür aber auf Rapps Ratschläge und die seiner Nachfolger. Ergebnis
: Nach dem Tod der Pfarrherren Rapp wurde Offenburg für Jahrzehnte

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