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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 355
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Kirchenkonvents8 ausweisen. Vorsitzende waren Pfarrer und Vogt, als Beisitzer
fungierten vier „Richter", ehrenwerte Männer der Gemeinde, und der
„Heiligenpfleger", so die alte Bezeichnung für den Kirchenrechner. Die
Gewährsleute des Kirchenkonvents waren die vier „Kirchenrüger", die der
Volksmund „Schwätzer im Pfarrhaus" nannte. Sie mußten darauf achten
und dafür sorgen, daß die christliche Ordnung in der Gemeinde erhalten
blieb; sie kontrollierten den Kirchenbesuch, zeigten fluchende Mitbürger
an und auch solche, die den Sonntag nicht heiligten oder sich sittenwidrig
verhielten. So mußte der Lindenwirt, weil er „am Feiertag der Verkündigung
Mariä während des Frühgottesdienstes Wein auf Karren geladen und
nach Hornberg wegführen lassen", 15 Kreuzer Strafe bezahlen. Der gleiche
Betrag war fällig für einen Gutacher, der an einem Sonntag Garben gemacht
hatte.

Immer wieder wurde das leidige Vergehen des sonntäglichen Kegelns angeklagt
. 1724 mußten Burschen aus dem Dorf wegen „Kögeln an unterschiedlichen
Sonntägen" 15 Kreuzer bezahlen. Ein beliebtes, aber verbotenes
Sonntagsvergnügen war auch das „Kartein". Immer wieder mußten
sich Bürger vor dem Gericht verantworten, nicht zu Unrecht übrigens,
denn mancher Gutachter hat beim Kartenspielen Hab und Gut verloren.

Höhepunkte der wenigen Freizeitvergnügen waren Marktbesuche, die Kil-
wi (Kirchweihfest) und die Lichtgänge. Verständlich, daß die Obrigkeit ein
wachsames Auge auf die nicht alltäglichen Ereignisse warf und die Kirchenrüger
besonders eifrig nach „unschicklichem Verhalten" Ausschau
hielten. Ein Knecht mußte 15 Kreuzer Strafe bezahlen, weil er bei der
Hornberger Kirchweih „auf öffentlichem Markt einer Magd unverschämterweise
an den Schurz gegriffen". Rundweg verboten war der Kirchweihbesuch
„im Ausland", wozu auch das benachbarte Städtchen Hausach
zählte. Dorthin wagten sich fünf Gutacher; doch das Spähauge des Konvents
ertappte sie und brachte die Freveltat vor den Konvent.

Die Spinnstuben, ursprünglich „Licht-Kärzen" und später Lichtgänge genannt
, durften im 18. Jahrhundert nur von Frauen und Mädchen besucht
werden. Damit es keine Unregelmäßigkeiten gab, mußten sich die Teilnehmerinnen
beim Kirchenkonvent namentlich melden. Doch es kam immer
wieder zu Verstößen, indem Burschen sich in die Stuben schlichen oder
den heimkehrenden Mädchen auflauerten und damit - wie es die Konventsrichter
sahen - die „Unsittlichkeit beförderten". Im 19. Jahrhundert
wurden die Spinnstuben dann zu einem gesellschaftlichen Ereignis des
Dorfes, zur Gelegenheit für die junge Generation, sich näher kennenzulernen
, und später dann zum oft idealisiert dargestellten Brauchtum.

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