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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 408
(PDF, 127 MB)
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den Hungerzeiten eine moralische Verwilderung feststellen müssen. Eine
solche Klage wurde von keinem der Chronisten in den Jahren 1741-1742,
1769-1771 und 1816-1817 geführt. Nur 1769-1771 hatte sich ein Tatbestand
gleich dreimal nachdrücklich bemerkbar gemacht: In jedem Jahr dieser
Notperiode wurde bei jeweils einem „wohlhabenden" Lichtenauer Bürger
eingebrochen:

„In der Nach vom 13. zum 14. Oktober h. a. (1770) wurde dem H. Chirurgo Dietrich
dahier im Vorstädtel durch eine Diebesbande gewaltsam eingebrochen. Vermittels
einer angestellten Leiter kamen die Diebe in eine Kammer des oberen
Stocks, und erbrachen einen Trog, in welchen viel Getüch gewesen. Alle seine
Kleider, Getüch und schwarze Wäsche gingen verloren, so daß der Schaden (auf)
250 Gulden geschätzt wurde. Der Einbruch ist auf die nämliche Art wie im Pfarrhaus
durch Ausbrechung einer Fensterscheibe zwischen 11 und 12 Uhr vorgenommen
worden. Jedermann mutmaßet, daß Stefan Dieterlin zu diesen Diebstählen der
Angeber sei, welches aber bisher nicht an ihn (hat) gebracht werden können."

Der Einbruch ins Pfarrhaus in der Nacht vom 5./6. Oktober 1769 glich
dem bei Dietrich. Er erfolgte auch im oberen Stockwerk und die Diebe hatten
es auf Kleider und Wäsche abgesehen. Zur Beleuchtung benutzten sie
eine Fackel. Einer der Söhne des Pfarrers erwachte, als die Diebe einen Laden
aufsprengten, worauf dieselben flohen. Pfarrer Neßler schickte ihnen
noch drei Alarmschüsse nach. In einem Nachtrag zu seinem Bericht beklagt
er sich über die schlechte Nachtwache im Pfarrhof und dessen Umgebung
. Er bangte besonders um die Sicherheit der Abendmahlsgefäße. Er
hatte „darauf an die fürstliche Regierung geschrieben, welche geschärften
Befehl zur besseren Bestellung der Wacht (hat) ergehen lassen, auch wurde
desfalls ein Dekret zugeschickt". Pfarrer Neßler bezweifelte aber, „ob bei
dem hiesigen elenden Polizeizustand eine Besserung zu haben ist". Aber
die drei Einbrüche waren ja Einzelfälle - wahrscheinlich von immer denselben
Personen begangen - und kein Steppenbrand. Diesem suchte Pfarrer
Neßler vorzubeugen. So predigte er am Sonntag vor dem Einbruch im
Pfarrhaus „aus der Epistel von dem Diebstahl".

Die Einbrecher waren von der Epistel nicht beeindruckt, sofern sie sie
überhaupt gehört haben. Insgesamt gesehen halfen aber die seelsorgerlichen
Bemühungen des Pfarrers mit, Schlimmeres zu verhüten.

Ursachen der Hungerkrisen

Gegen Ende der Berichtszeit der Pfarrchronik war Lichtenau ein Städtchen
mit 960 Seelen, wovon die Hälfte Handwerker, der Rest Bauern waren.2
Diese Handwerker waren in der Regel nebenher auch Landwirte, die als
Besitzer von ein paar Äckern sich selbst mit Nahrung versorgten. Das

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