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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 422
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lichkeit. Unübersehbar bediente sich die absolutistische Armenfürsorge repressiver
Maßnahmen zur Unterdrückung der Bettelei. Überall in Deutschland
erließen die Regierungen Bettelverbote. Der Regelungsinhalt der Bettelordnungen
blieb im wesentlichen der gleiche: Betteln wurde grundsätzlich
verboten, die Vergabe von Almosen reglementiert, wenn nicht gar untersagt
.

Eine wesentliche Veränderung auf dem Gebiet des Armenwesens verursachten
schließlich Entwicklungen, die aus einem anderen Bereich
kamen1. Im ausgehenden Mittelalter erfuhr neben der Armut auch der Arbeitsbegriff
eine Neubewertung. „Seit der Reformation galt wirtschaftlicher
Erfolg zunehmend auch als Bestätigung der Gotterwähltheit. Dagegen
wurden subjektive Charaktermängel für das Bestehen einer Armutslage
verantwortlich gemacht. Zeit- und Personalmangel beeinträchtigten die
umfassenden Untersuchungen, die vor einer Gewährung von Unterstützung
durchzuführen waren. Eine Universalisierung des Betrugsverdachtes
war eine der Folgen2."

Armut entwickelte sich in der Gesellschaft des absolutistischen Staates zu
einem negativen Charaktermerkmal. Die im Absolutismus spürbaren
Disziplinierungsanstrengungen führten zu einer Ausgrenzung der Armut,
vor allem im Umgang mit den nichtseßhaften Teilen der Bevölkerung.
NichtSeßhaftigkeit konnte die sozialen Unterschichten jederzeit treffen:
Eine Hungersnot oder der Verlust der Arbeit brachten die Gefahr mit sich,
eine vertraute Umgebung verlassen und sich der Schar wandernder Bettler
anschließen zu müssen. Mit jener Neuorientierung setzte sich ein neues
Verhältnis der Gesellschaft zu ihrer Armut durch: Armut wurde nicht
länger als gottgewollter Bestandteil der Gesellschaft, sondern als individuelles
Problem betrachtet. „Wo das alte System der Unterstützung noch
zu erheblichen Teilen den Selbstversorgungs- und Selbstregulierungskräften
der Gemeinschaften und Korporationen überlassen war, etwa den Dorfgemeinden
und städtischen Stiftungen, den Klöstern und den Zunftorganisationen
, da greifen nun zentrale Ordnungen und Regelungen ein, die den
Kreis der Unterstützungsberechtigten wie die Art der Hilfe genau vorschreiben3
."

Die Pauperismusdiskussion

Die Armutsdiskussion beherrschte das Thema „Pauperismus", dem letzten
Ausläufer der alten, vorindustriellen Armut4. Unter „Pauperismus" verstehen
wir die Massenerscheinung, daß die unteren Gesellschaftsschichten in
der Übergangsphase zum Industriezeitalter ihr Leben an der Grenze des

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