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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 476
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war niemand mehr zweifelhaft. Der Krieg galt so gut wie sicher. Die
Mobilmachungsordre wurde für den anderen Tag erwartet. Ich ging nach
Hause und fuhr noch in der Nacht nach Renchen und von da mit dem grauenden
Morgen mit der Morgenpost nach Oppenau (die von Appenweier
abgehende Renchtalbahn war damals noch nicht gebaut). In Oppenau und
schon unterwegs waren bereits die Brückenübergänge von kleinen Militärabteilungen
besetzt. In Oberkirch hielten sogar einige mit dem roten Kreuz
geschmückte Ambulanzwagen. Woher diese Trupps kamen, ist mir heute
noch nicht klar; vermutlich von Rastatt, denn in Offenburg lag damals kein
Militär. Offenbar war mit diesen Piquetstellungen beabsichtigt, den Eindruck
zu erwecken, daß die Schwarzwaldtäler militärisch besetzt seien, um
die Franzosen von einem Vorstoß abzuhalten. In noch stärkerem Maße
suchte in den nächstfolgenden 14 Tagen ein württembergisches Detache-
ment unter einem Oberst Seubert diesen Schein aufrecht zu erhalten, was
ihm auch gelungen sein soll3.

In Oppenau gelang es mir, mit vieler Mühe einen Einspänner aufzutreiben,
der sich verpflichtete, nicht bloß nach Antogast und zurück nach Oppenau
zu fahren (dazu waren sie alle bereit), sondern auch von Oppenau nach
Appenweier oder Renchen hinaus zur Bahn; denn sie fürchteten alle, die
Militärverwaltung könnte das Pferd zurückbehalten. Erst als ich geltend
machte, daß die Militärverwaltung andern Tags sowieso alle tauglichen
Pferde requirieren werde, vermochte ich endlich einen Müller zu bewegen,
um teures Geld seinen alten Schimmel, der keinen militärtauglichen Eindruck
machte, zu riskieren. Etwa um 11 Uhr kam ich in Antogast an, von
den Meinigen freudig, aber erstaunt begrüßt. Sie standen noch unter dem
Eindruck der mit Sekt begossenen Friedensaussichten der vergangenen Tage
. Die Emser Depesche und die Bismark'sche „Fanfare" war noch nicht
zu ihnen gedrungen. Sie sahen aber sofort ein, daß hier kein Zaudern mehr
am Platze war, packten rasch zusammen, beglichen ihre Rechnung und
fuhren mit mir mit dem Schimmelfuhrwerk baldigst davon, beneidet von
den anderen Kurgästen, darunter eine Anzahl Elsässer, die sehr besorgt waren
, ob es ihnen gelingen werde, die Heimat zu erreichen.

Wir fuhren, da in Renchen nur wenige Züge halten, bis Appenweier. Unterwegs
, zwischen Oppenau und Oberkirch, hatte uns ein Professor aus
Königsberg, der aus einem Seitental heruntergestiegen kam, angefleht, ihn
um Gotteswillen aufsitzen zu lassen und ihn nach Appenweier zu befördern
, damit er noch den Schnellzug nach Frankfurt und von da weiter, Tag
und Nacht reisend, die Heimat erreichen könne. Er sei Reserveoffizier und
habe erst heute erfahren, daß mobil gemacht werde. Er müsse rechtzeitig
heimkommen; seine Ehre stehe auf dem Spiele. Wir nahmen ihn natürlich
in den Wagen herein oder vielmehr auf den Bock, obwohl unser Einspän-

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