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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 477
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ner sowieso schon schwer beladen war mit uns drei Personen und dem
Kutscher und den Koffern. Der Professor, von echt deutschem blonden Typus
, war von dem Gedanken hoch begeistert, abermals fürs Vaterland
kämpfen zu dürfen; er hatte bereits den 1866er-Feldzug gegen Österreich
mitgemacht. Er bedauerte nur sein altes Mütterchen, das nun wieder wie
1866 sich die wenigen Bissen vom Munde absparen werde, um die armen
Landwehrfrauen zu unterstützen. Seine Begeisterung war echt, ohne Phrasen
und ohne Redensarten, und bildete einen starken Kontrast zu dem sehr
wenig kriegerischen Gehabe eines Karlsruher Fabrikanten namens Emil
Schmitt (später Inhaber eines angesehenen Installateurgeschäftes), der
morgens mit mir in der Post von Renchen nach Oppenau fuhr, um gleichfalls
seine Verwandten in Antogast abzuholen, und der als Reservemann
noch militärpflichtig war. Der hätte sich, wenn es nur möglich gewesen
wäre, am liebsten gedrückt. Einen schönen blonden Bart hatte er zwar
auch, aber keinen Funken von Vaterlandsliebe oder Begeisterung.

In Appenweier langten auch von den anderen Renchbädern (Peterstal,
Griesbach, Freyersbach) ein Fuhrwerk nach dem andern mit flüchtenden
Kurgästen an, meist Straßburgern und sonstigen Elsässern. Sie gebärdeten
sich wie verzweifelt, als sie hörten, daß kein Zug mehr nach Straßburg fahre
. Die Bahn sei unterbrochen. Sie mußten auf weitem Umweg über Basel
und dann linksrheinisch fahren. Vom Bahnpersonal und den Stationsbeamten
wurden sie ziemlich feindselig behandelt und ihnen vorgeworfen, daß
Frankreich es sei, das den Krieg heraufbeschworen habe; sie sollten nun
nur die eingebrockte Suppe ausessen. Sie erwiderten, die Frauen und Kinder
weinend und schluchzend: „Wir went kai Krieg nit. Der verfluchte Napoleon
ischt an allem schuld, der Kaib."

Spät abends, nach langem Aufenthalt in Rastatt, wo wir schon glaubten,
nicht mehr weiter zu kommen, langten wir endlich todmüde in Karlsruhe
an. Am Bahnhof erwartete mich mein alter Direktor, Steuerdirektor
Kühlental4, der bald darauf sich pensionieren ließ und durch Regenauer ersetzt
wurde, und machte mir Vorwürfe, daß ich mich ohne Urlaub entfernt
habe, das gehe in diesen Zeiten unbedingt nicht. Ich müßte am nächsten
Tag in aller Frühe nach Rastatt fahren und dort die Obereinnehmerei
(Finanzamt) samt den Beamten, der Kasse und den Akten aus der Festung
herausbringen und nach Baden überführen. Er gab mir schriftliche Ordres
in dieser Richtung. Ziemlich geknickt über die erhaltene, wie ich anerkennen
mußte, wohlverdiente Nase und wenig erbaut von dem mir für den
anderen Tag gegebenen Auftrag, kam ich zu Hause an.

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