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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 499
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Immer deutlicher trat Hansjakob als ein Autor hervor, der selber nichts Erzählenswertes
mehr erlebte, sich dafür aber um so lieber erzählen ließ, was
andere, geringere Menschen erlebt hatten, um es dann an ihrer Stelle wieder
weiterzuerzählen; der den anderen nicht nur zuhörte, sondern sie auch
aushorchte und ausfragte, um dann alles auch noch aufzuschreiben. Die
späten Bücher, die im Grunde Tagebücher sind, enthalten (von oft unverdauten
Lesefrüchten und dergleichen abgesehen) hauptsächlich solche Erzählungen
aus zweiter Hand oder eher zweitem Mund: sie handeln vor allem
vom Hörensagen.

Nicht mehr zu halten war Hansjakob, nachdem er, nunmehr Pfarrer von St.
Martin in Freiburg, in der vor der Stadt gelegenen Karthaus eine Zweitwohnung
gefunden hatte; denn das ehemalige Kloster diente nun als
Altersheim und füllte sich allmählich mit alten und armen Mitbürgern, die
in ihrem Leben oft heftig umgetrieben und herumgestoßen worden waren.
Jeder von ihnen war für Hansjakob, sozusagen, ein gefundenes Fressen.
„Ich nahm ihn mit auf mein Zimmer und erforschte sein Leben."32 Oder:
„Das genügte mir, um den Mann alsbald mit auf mein Zimmer zu nehmen
und ihn sein Leben im Detail erzählen zu lassen."33 Oder: „Er erzählte mir,
was ich immer gerne höre, aus seinem Leben."34 Oder: „Dann holte ich
noch einiges aus seinem Leben heraus, was ich noch nicht wußte."35 Oder:
„Auch ich erhob mich und ging zurück in meine Klause, befriedigt, auf so
kurzem Gang wieder ein Stück Menschenleben kennen gelernt zu haben
."36 Solche Wendungen ließen sich endlos aneinanderreihen; sie sind
gleichsam nur die Rahmen, in denen der Sammler seine Funde präsentiert,
oder auch das Gerüst, das sie notdürftig strukturiert.

Sogar in seinen Reisebüchern, in denen sich oft Zufälliges an Beiläufiges
reiht und von langen Zitaten aus historischen oder kunsthistorischen Werken
noch in die Länge gezogen wird, kann plötzlich ein fremdes, buntes
Lebensbild aufleuchten: „Im Gasthof unterhielt ich mich noch einige Zeit
mit dem Portier, einem richtigen Württemberger aus Mergentheim. Ich mache
mich mit derlei deutschen Landsleuten schwäbischer Zunge auf Reisen
gerne bekannt und lasse mir erzählen, wie sie in 'die Fremde' gekommen.
Ich bin dabei neugierig wie ein altes Weibsbild. So saß ich denn auch bis
gen Mitternacht bei dem Schwaben in seiner Kabine und erfuhr seinen Lebenslauf
als Schneiderssohn, Kellner, Oberkellner, Hotelbesitzer in Berlin
und Portier in Brüssel."37

Solche Gelegenheiten führte Hansjakob mit Bedacht herbei; und sei es nur
dadurch, daß er, der auf altmodische Art mit eigener Kutsche fuhr, unterwegs
irgendwelche Fußgänger mitnahm, um sie dann förmlich auszunehmen
. „Aus Andelfingen nahm ich unweit seines Dorfes einen Bauersmann

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