Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 502
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sehen Steinhofen, ein Bettler und Landstreicher aus der Freiburger Gegend
, der Bäckermeister Otto Späth aus Rastatt, zwei Landstreicher aus
Zürich und St. Gallen, der Weber Gordian Dieterle aus Freiburg, eine Färberstochter
aus Wehr, ein Fabrikschuhmacher aus Tuttlingen, zwei Handwerksburschen
aus Nußbach bei Triberg und Tübingen, ein Taglöhner aus
Freiburg, ein Schiffer aus Wyhl, ein Fabrikarbeiter;44 und viele andere. Sie
alle wurden unversehens zum Objekt des Interesses, ja der unverhüllten
Neugier eines ihnen oft unbekannten geistlichen Herrn, der erst dann von
ihnen wich, wenn er alles aus ihnen herausgeholt hatte. Freilich wird ihnen
, für die sich sonst niemand interessierte, dieses Interesse auch gutgetan
und geschmeichelt und die Zunge gelöst haben.45

„Des unbedeutendsten Menschen Leben hat für mich etwas Anziehendes,
und wenn ich mit einem Taglöhner, mit einem Knecht oder einer Magd
auch nur zehn Minuten lang rede, so pflege ich nach ihrer Heimath, ihren
Eltern, nach der Zeit ihres Dienstes zu fragen und höre der Beantwortung
dieser Fragen mit einer Aufmerksamkeit zu, als gälte es eine neue Entdeckung
zu machen auf dem unermeßlichen Gebiete der Menschheit."46 So
heißt es einmal, und ein andermal so: „Ich habe schon oft gesagt, daß das
Leben des einfachsten Menschen interessant sei, interessanter als das manches
im Fürstenschloß und im Glänze der Welt Geborenen."47 Schon im
Vorwort zu seinen Kindheitserinnerungen hat Hansjakob die Ansicht vertreten
, „daß das Leben des einfachsten und armseligsten Menschen es verdiente
, aufgeschrieben und veröffentlicht zu werden. Auch der niedrigsten
und unbedeutendsten Menschenseele Leben, Wirken und Kämpfen wäre,
niedergeschrieben, ein werthvoller Beitrag zur Gottes-, Welt- und Menschengeschichte
."48

Gezeigt wurde bis hierher zwar nun, wie Hansjakob forschte und wonach;
aber nicht, warum seine Methoden und die durch sie gewonnenen Materialien
von Bedeutung sind. Warum also? Weil sie zwar typisch für Hansjakob
sind, aber durchaus untypisch für seine Zeit; weil Hansjakob etwas
schrieb, was vor ihm nie geschrieben worden war und erst lange nach ihm
geschrieben werden sollte; weil er das schrieb, was neuerdings 'Alltagsgeschichte
' genannt wird, ja als solche überhaupt erst erkannt wird. „Auf fast
geräuschlose, gänzlich unspektakuläre Weise hat sich in der bundesdeutschen
Geschichtsforschung ein Perspektivenwechsel vollzogen: Weg aus
der dünnen Luft der Kanzleien und Salons, der Haupt- und Staatsaktionen,
weg auch von der Analyse globaler gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse
- hin zu den kleinen Lebenswelten, den Grauzonen und Nischen des
alltäglichen Lebens. Weitgehend unerforschte Territorien geraten bei dieser
Entdeckungsreise in den historischen Alltag ins Blickfeld: Wie wohnten
die Menschen früher? Wie kleideten und ernährten sie sich? Wie feierten

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