Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 652
(PDF, 127 MB)
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Angst, trotziges Hoffen lasteten auf den
Menschen, auch auf dem Verfasser und
zwangen ihn. sich mit dem Urheber all
dieser Plagen auseinanderzusetzen, dem
Krieg. Hansjakob hatte auch vorher schon
zu diesem Phänomen seine Gedanken
geäußert, in den Zwiegesprächen geschah
es aus der eigenen Erfahrung, mit dem
gräßlichen Geschehen vor Augen. Und
was er sieht, ist Tod, Verstümmelung.
Vernichtung materieller Güter. Vereinsamung
, Leid. Er wird nicht müde, das
Furchtbare zu schildern und hebt es durch
eine stärker rhythmisierte und bildhafte
Sprache aus dem argumentierenden Bericht
hervor: er holt die Bibel und das Kirchengebet
, Philosophen und Rechtsgelehrte
. Shakespeare und Schiller zu Hilfe,
das Ungeheuerliche in Worte zu fassen.
Wie kommt es. daß sich die modernen
Menschen. ..strotzend vor Humanität und
Bildung, von Kulturfortschritt im Wahren.
Schönen und Guten umso barbarischer
gegeneinander verfahren" (S. 17)? Die
Menschheit hat den Verstand verloren,
lautet die vorläufige Antwort, und nutzt
die Möglichkeiten, die in Kultur und Bildung
stecken, dazu. Maschinen zu bauen,
mit denen sie den Krieg schrecklicher
macht, als jeder Krieg je war. „Es ist
nichts Ritterliches mehr im Kriege, nicht
mehr Mann gegen Mann im ehrlichen
Kampf, sondern meist ein teuflisches
Morden und Abschlachten." (S. 38) Und
er zitiert aus dem Brief eines Soldaten:
..Wer gesehen hat. wie gräßlich dieser
Krieg mit den Leibern der Menschen umgeht
, der wird dafür sein, daß jeder, der in
Zukunft noch einmal von einem neuen
Krieg spricht, sofort gehenkt wird." (S.
38) Die Uneinsichtigkeit der kriegführenden
Mächte verhindert es, das Unheil zu
beenden, und Hansjakob wagt eine Prophezeiung
, die zu einem großen Teil eingetreten
ist: „So wird eben die Menschenschlächterei
noch fortgehen, bis Europa
an Blut und Geld bankrott ist." (S. 39)
Wer Hansjakob nach seiner vielfältigen
Verdammung des Krieges unter die Pazifisten
einreihen will, wird allerdings in
den „Zwiegesprächen" ein zwiespältiges
Buch finden. Wenn wir die Schrift nicht
als Satire verstehen sollen mit einer verkehrten
Welt, wie sie Simplizissimus im
Mummelsee darstellt, dann müssen wir in
dem Dichter einen glühenden Patrioten
sehen, der zumindest den Verteidigungskrieg
für berechtigt, wenn auch als notwendiges
Übel erkennt. (Der Rezensent
beruft sich bei dieser Behauptung ausdrücklich
auf den Text, der hier besprochen
wird. Gegensätzliche Positionen aus
anderen Werken bleiben unberücksichtigt.
Dafür sei verwiesen auf Manfred Hildenbrand
: Der Freiheit und dem Frieden . ..
Über Heinrich Hansjakobs politisches
Denken: In: Heinrich Hansjakob. Festschrift
zum 150. Geburtstag. Haslach.
1987. Und Wolfgang Winter, Heinrich
Hansjakob ein Pazifist, im Anhang der
Zwiegespräche.) In unserer Schrift feiert
Hansjakob die Deutschen „als die gutmütigsten
Leute von der Welt. Wenn uns
einer nicht extra ... mit der Mistgabel
stupft. bleiben wir ruhig." (S. 23) Er vergleicht
den Deutschen unter den Menschen
mit dem edlen Delphin unter den
Fischen.

Man kann nicht übersehen, daß Hansjakob
die meisten Gründe anführt, mit denen
Deutschland seinen Eintritt in den
Krieg rechtfertigte: die Einkreisungspolitik
Englands, das französische Verlangen
nach Revanche für Versailles 1871. den
Imperialismus Rußlands. Das sollte man
ihm heute nicht vorwerfen; Politik und die
Medien vertraten diese Meinung, der
weitaus größte Teil des deutschen Volkes
übernahm sie, die historische Wissenschaft
wiederholte sie jahrzehntelang als
richtig und gab sie erst spät nach dem
Zweiten Weltkrieg auf oder modifizierte
sie.

Man hat auch vorgebracht. Hansjakob habe
diese vaterländischen Passagen eingefügt
, um der Zensur zu entkommen. Aber
dafür verteidigt er die deutsche Kriegführung
zu häufig und greift die Gegner.

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