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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 610
(PDF, 147 MB)
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ges für unmöglich gehalten haben. Wie tief war die Moral u. die Kultur in der
ganzen Welt in den letzten Jahren doch in die Barbarei abgesunken! Dieses Mal
hat das Radio bei der Verbreitung der Greuelnachrichten der Franzosen nicht gelogen
; im Gegenteil, sie sind eher noch durch die Tatsachen übertroffen worden.

Die Front entfernte sich u. mit ihr die gefürchteten Marokkaner. Aber ihnen folgten
verwilderte, zerlumpte, unheimliche Gestalten, Mauleseltreiber (Goumiera), die
ihre ganzen Halbseligkeiten, Proviant u. Diebesbeute auf ihren Mulis mit sich
führten. Diese Gesellen waren von einer unglaublichen Frechheit u. Zudringlichkeit
, stahlen u. raubten womöglich mit noch größerer Gewandtheit als ihre Vorgänger
u. wo sie nicht gleich Erfolg hatten oder verschlossene Türen vorfanden,
wurde sogleich Gewalt angewendet. So konnte eine Abteilung, die auf dem Biesle
bei der neuen Schule kampierte, nicht in das verschlossene Haus des Frl. Schneider
eindringen: sie schlugen daher morgens in aller Frühe Türen u. Fenster ein, gössen
Benzin in Keller u. Zimmer u. zündeten es an. Die einheimische Bevölkerung
durfte erst um 7 Uhr vorm. die Straße betreten; als daher die Feuerwehr am Brandplatz
erschien, war das Haus niedergebrannt. Die Bewohner des Hauses, drei alleinstehende
Fräulein, hatten sich tags zuvor aus Furcht vor Belästigungen durch
diese Halbwilden zu Bekannten begeben u. fanden bei ihrer Rückkehr nur noch
die rauchende Trümmerstätte vor.

Ebenso wurde gleich am l. Tage nach dem Einmarsch ein Haus in der Lindenstraße
, in dem ein berüchtigter Nazi in Miete wohnte, von den Franzosen niedergebrannt
; dieser selbst aber in die Gefangenschaft abgeführt.

In Peterstal widersetzte sich der „Bieländer" (Huber), der Besitzer der Peterstaler
Sprudelwerke, der Vergewaltigung seiner Töchter u. wurde vor deren Augen unter
der Zimmertüre von den vertierten Marokkanern erstochen.

Daß durch solche Greueltaten die wehr- u. waffenlose Bevölkerung entsetzt u. wie
gelähmt war, ist nur zu begreiflich ...

Unterdessen rückte die reguläre franz. Armee der Front nach, vollständig amerikanisch
bis zum letzten Knopf ausgerüstet u. motorisiert; Autokolonne auf Autokolonne
, Tag u. Nacht ununterbrochen, dazwischen leichte, schwere u. schwerste
Panzer zogen vorüber. Auch die Maultiertreiber verschwanden, u. es hieß, daß
jetzt aktives franz. Militär einquartiert werden solle. Alles atmete auf u. hoffte auf
Besserung, wenn endlich zivilisierte Soldaten kämen. Sie kamen auch auf Auto
mit roten Fähnchen! Aber welche Enttäuschung! ...

Wir danken dem Enkel Adolf Bruders, Herrn Rainer Fettig, der uns freundlicherweise
erlaubte, Auszüge aus den privaten Aufzeichnungen seines Großvaters zu
veröffentlichen. Das Original liegt bei der Mitgliedergruppe des Historischen Vereins
in Oppenau. Die Redaktion.

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