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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 623
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0623
Gegen die SS richtet sich auch der besondere Haß der Franzosen; bei ihr machen
sie keine Gefangenen. Aber Unrecht wird nicht durch Unrecht wieder gutgemacht.

Montag, den 23. April 1945. Wir weinen ihnen nicht nach

Die kleineren Kämpfe auf unserer Gemarkung haben leider auch einigen Volkssturmmännern
das Leben gekostet. Im Laufe dieser Tage wird gemeldet, da liegt
ein Toter, dort liegt einer und so fort. Die Franzosen kümmern sich nicht um die
toten deutschen Soldaten. Sie nehmen ihnen, was sie an Wertsachen haben, und
lassen sie liegen. An diesem Morgen gehen der Bürgermeister (Johann Baptist
Hummel, 1929-1945) und ich zum Ortskommandanten - es war nur noch ein
Leutnant da -, um die Erlaubnis zu holen, daß wir die Leichen bergen dürfen; sie
wird uns gegeben.

Im Laufe dieses Tages rücken dann die Franzosen ab. Am Morgen kommt eine
große Kolonne leerer LKW. Sie fahren den Geisberg hinauf und kommen am Mittag
vollbesetzt zurück. Im Ort machen sie nochmals kurz Station, und dann setzt
sich die Kolonne in Bewegung. Wir weinen ihnen nicht nach. Manche kleine
Kinder, die von den Franzosen viel Schleckereien und Süßigkeiten erhalten hatten,
bedauern allerdings ihr Scheiden; aber dafür sind es Kinder!

Glimpflich davongekommen

Im Rückblick auf diese Tage der feindlichen Besetzung dürfen wir sagen, daß wir
noch einigermaßen glimpflich davongekommen sind. Es ist Unrecht geschehen in
diesen Tagen, und neues Leid über manche Familie gekommen - es sei erinnert an
den abgebrannten Fixenhof und den gefallenen Fixenbauern Matthias Wangler;
aber wir werden wohl versuchen müssen, es im Geiste der Sühne zu tragen. Was
gestohlen und geraubt wurde, läßt sich irgendwie ja wieder ersetzen. Manche Familien
waren mit ihrer Einquartierung recht zufrieden. In vielen Häusern haben sie
sehr brutal gehaust, alles durchwühlt und mitgenommen, was ihnen gefiel. Mir gegenüber
betonten sie immer wieder, daß sie gute Katholiken seien. Fast alle trugen
religiöse Medaillen oder hatten den Rosenkranz bei sich. Aber darin scheint sich
bei vielen auch das Christentum erschöpft zu haben. Ich sage das allerdings mit
Vorsicht.

Die meisten Franzosen waren Gaullisten - sie trugen als ihr Abzeichen das
Lothringer Kreuz, ein Kreuz mit zwei Querbalken. Einige gehörten zur FFI (Forces
Fran£aises de 1'Interieure), und die sind kommunistisch eingestellt.

Zwischen den beiden scheint nicht das beste Einvernehmen zu herrschen. Vielleicht
wird es da einmal noch eine schwere Auseinandersetzung geben. Der Sieg
des Kommunismus wird auch für uns von noch unabsehbaren Konsequenzen sein.
Nun sind sie fort, aber damit ist der Krieg für uns ja nicht zu Ende. Die Folgen des
verlorenen Krieges werden sich erst langsam in ihrer Schrecklichkeit enthüllen.

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