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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 344
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Im Juni des Sturmjahres 1849 ließ es sich auch Sofie Gißler aus Grafenhausen
nicht nehmen, die Bürgerwehr ihres Heimatdorfes, Bestandteil des
Ettenheimer Bataillons, mit markigen Worten zum Kampf anzufeuern. Zu
diesem Zweck hatte sie das unten abgedruckte Gedicht verfaßt, das am 19.
Juni sogar im Heidelberger „Volksführer" der revolutionär gesinnten Leserschaft
präsentiert wurde. Wenn die kampfeslustige Frau Gißler hier leidenschaftlich
von den Wehrmännern fordert, sie sollten die „freche Für-
stenbruth" besiegen und dabei „das Fürstensöldnersblut (...) verspritzen
", hat das wenig mit feingliedrigem Umgangston zu tun; der ganze lyrische
Erguß klingt für heutige Ohren doch recht befremdlich, war für die
Stimmung der damaligen Zeit jedoch nichts Außergewöhnliches103. Die
Tatsache, daß Frauen die Männer der Bürgerwehren in solch martialischer
Form zum Kampfe anspornten, war weitverbreitet. Viele Äußerungen von
weiblicher Seite - wir sind besonders über die württembergischen Verhältnisse
gut informiert - bezeugen, daß Frauen den Männern in ihrer Begeisterung
für das Kriegerische in nichts nachstanden. Pazifistinnen waren die
Frauen der Revolution sicherlich nicht - im Gegenteil: Viele von ihnen
identifizierten sich mit den militaristischen Auswüchsen der Aufstände104.
Bei alldem waren jedoch die Rollen eindeutig festgelegt, wie auch Sophie
Gißlers Gedicht deutlich macht: Hier der zum Soldat ausgebildete Wehrmann
, Inbegriff des männlichen Beschützers („Für Freiheit, Gleichheit.
Bruderliebe ringt/Es ist das Ziel, das allen Kämpfern winkt"), dort die daheimgebliebene
, zu verteidigende Frau, die ihn in seinem Kampf bestätigt
und unterstützt („Erwartungsvoll sehen wir dem Tag entgegen/Wo Ihr im
heiligen Völkerkampfe steht/Zum Himmel flehen wir für Euch um Segen").
Auch aus Lahr kennen wir ja schon die weibliche Forderung an die Wehrmänner
des Jahres 1848, die Freiheit der Kinder und Frauen zu
schützen105; in die gleiche Richtung geht im Jahr darauf der „Befehl" der
beiden Schiltacherinnen an die Lehengerichter Bürgerwehr, jetzt ohne Zögern
ihre Pflicht zu tun.

Carola Lipp, die die entsprechenden Zeugnisse in Württemberg studiert
hat, kommt im Resume ihrer Ergebnisse zu dem Schluß: „Nicht nur der
berufstätige Mann, sondern der 'Mann auf dem weiten Felde der That, in
den Wettern der Schlacht' (Louise Otto) war 1848/49 der eigentliche Gegenpol
zur Frau im Hause. Gerade das Denken in Kriegskategorien verfestigte
die 'Polarität der Geschlechter'. "106

Es ist sicher nicht zu weit gegriffen, wenn man die Aggressivität der beiden
Schiltacher Frauen, vor allem aber auch die literarischen Ambitionen
der Grafenhausener Bürgerin Sofie Gißler in eine Reihe zu schon bekannten
Beispielen für die weibliche Kriegsbegeisterung der Jahre 1848/49
stellt. Auf diesem Hintergrund kann man letztlich die These wagen, daß

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