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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 371
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- zeittypischer Wendungen (,Deutschlands Fluren', ,den Fuß in den
Nacken stoßen').

Damit wollte er das ,Volk', jedenfalls dessen demokratischen und republikanischen
Vorstellungen geneigten Teil, erreichen. Das ist ihm mit diesem
Gedicht aber weniger gut gelungen als mit dem „Neuen Wintermärchen"
in der Nachfolge von Heinrich Heines Versepos „Deutschland. Ein Wintermärchen
". Grund dafür ist sicher nicht der geringere literarische Rang des
Gedichts. Das Erscheinen des Gedichts nur in den USA verhinderte eine
weitere Verbreitung in Deutschland. Zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens
des Gedichts war zudem für viele Leser evident, daß Wilhelm I. nicht der
große Verbrecher war, als den Hörth ihn darstellt. Die vergleichsweise
größere Wirkung des „Neuen Wintermärchens" von 1872 beruht darauf,
daß in diesem Epos nicht nur ein Aspekt des neuen Reiches, sondern zahlreiche
für die Leser bekannte Mißstände satirisch angeprangert werden.

VI

Weder „der vergessenen Todten Protest" noch Hörths kritisches Gedicht
haben die Anfänge des „Deutschen Reiches", dessen erster Kaiser im
Januar 1871 „Wilhelm, der Zoller" wurde, beeinträchtigen können.

Aus dem Abstand von mehr als 100 Jahren gesehen, erscheinen die Proportionen
im Gedicht verzerrt: Zwar wurde Wilhelm L zum Kaiser proklamiert
, aber für die Zeitgenossen war das neue Reich schon bald das „Bismarckreich
" und Bismarck dessen eigentlicher Gründer. Es muß offen bleiben
, ob die Unkenntnis der Verhältnisse zum Zeitpunkt der Abfassung des
Gedichts, in den Tagen nach dem 18. Januar 1871, Otto Hörth dazu veranlaßt
hat, Bismarck in seinem kritischen Gedicht nicht zu erwähnen, oder ob
ihn andere Gründe dazu bewogen. Es kann nämlich nicht in Zweifel gezogen
werden, daß er dem Reich, der Gründung Bismarcks, nicht nur skeptisch
, sondern feindlich gegenüber stand. Er hat in den folgenden Jahren
diese Feindschaft und die daraus folgende kritische Würdigung der Politik
Bismarcks damit bezahlen müssen, daß er mehrmals vor Gericht gestellt
und verurteilt wurde. Der Gedenkartikel der „Frankfurter Zeitung" zu
Hörths Tode nimmt darauf Bezug: „(. . .) über zwei Jahre hat er während
der Bismarck-Herrschaft in Frankfurt und Ziegenhain in Gefängniszellen
zugebracht und ist in einem Rekordjahr durch sechzehn Preßprozesse gegangen22
."

Die Akzentverschiebung von Kaiser Wilhelm I. hin zu Bismarck ist auch
an Bildern Anton von Werners (1843-1915) zu erkennen. Diese Bilder er-

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