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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 384
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gewalt darüber. Dieser „Vertrag" wurde (und wird) aber nicht zwischen
Gleichstarken getroffen, weshalb sich überall dort, wo dieses Kapitalverhältnis
existiert, eine Form von Arbeiterbewegung durchsetzen wird. Dieses
Durchsetzen selbst, das Bewußtwerden und Geltendmachen von Interessen
aber ist ein ideologischer und politischer Akt, weshalb die ideologischen
und politischen Bedingungen auch für Lahr schärfer betont werden
sollten, als es bisher der Fall war.

1862: Die Baders und der ideologische Reformismus

Ein Beispiel ideologischer Bedingungen ist zum Beispiel das kleine Büchlein
, das der Lahrer Zigarrenfabrikant Adolf Friedrich Bader und seine
Frau Amalie Luise im Jahre 1862 herausbrachten: „Der glückliche Fabrikarbeiter
, seine Würde und Bürde, Rechte und Pflichten, Sonntag und Werktag
, Glaube, Hoffnung und Gebet17. Diese kleine Schrift wandte sich ausdrücklich
an die Fabrikarbeiter und versuchte sie - durch Entwicklung der
protestantischen Arbeitsethik und der Lutherschen Zwei-Reiche-Lehre -
von der eigenständigen Organisation ihrer Interessen abzubringen. Zwei
Textproben:

„Segne besonders die Herren und Aufseher, denen wir zu arbeiten und zu
gehorchen haben, gieb auch dem ganzen Geschäft glücklichen Fortgang,
daß es kein Stocken und keinen Stillstand erleide." „Nun höre einmal, lieber
Fabrikarbeiter, du bist göttlichen Geschlechtes. [. . .] Was ists für eine
ganz andere Würde, als wenn lügnerische Freiheitsapostel dir sagen,
Volkssouverainetät sei die höchste Würde, und ihr Arbeiter seiet die Männer
des Fortschritts und der Zukunft, und so manches, das man nicht einmal
versteht, und wir seien alle gleich und alle Brüder. Die Gleichheit und
Brüderlichkeit hat einen schönen Sinn, wenns wahr ist und auf rechtem
Grunde ruht. Vor Gott sind freilich alle gleich, alle gleich in der Unwürde
als verlorene Sünder, aber alle gleich in der Würde als bestimmt zu Gottes
Bilde."

Man darf davon ausgehen, daß diese Schrift in den Gesellen- und Arbeiterbildungsvereinen
in Lahr gelesen und besprochen wurde. Ihre Bedeutung
liegt aber nun nicht darin, daß mit Hilfe protestantischer Theologie einfach
versucht wurde, die Arbeiter vom Pfad der Klasseninteressen zurück in die
Gemeinschaft der Gläubigen zu holen. Interessant ist vielmehr die Anerkennung
bestimmter Forderungen der Arbeiter in diesem kleinen Büchlein,
wodurch überhaupt erst die Möglichkeit ideologischer Wirkung geschaffen
wurde. Ausdrücklich erwähnten die Baders das Recht des Fabrikarbeiters

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