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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 441
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binett Scheidemann. In dieser Position setzte er sich nachdrücklich für die
Annahme des Versailler Friedensvertrages ein - was ihm erneut den
Schimpfnamen eines „Erfüllungspolitikers" eintrug. Am 21. Juni 1919
wurde Erzberger zum Reichsfinanzminister im neugebildeten Kabinett
Bauer berufen. Damit stand er vor der schier unlösbaren Aufgabe, angesichts
leerer Kassen die aufgelaufenen Kriegsschulden wie die zu erwartenden
hohen Reparationskosten zu begleichen. Schon im September begann
er mit einer grundlegenden Reichsfinanzreform, die vor allem die
Entnahmehoheit der Gemeinden beschnitt und durch eine quantitative Beteiligung
am Gesamtsteueraufkommen des Reiches ersetzte12. Es war der
Durchbruch zur modernen Steuerwirtschaft, ein Werk, das Anerkennung
errang quer durch die Parteienlandschaft.

Erzbergers Feinde befehdeten ihn unaufhörlich weiter. An ihrer Spitze
stand Professor Helfferich, der 1906 seinen Platz in der Kolonialabteilung
hatte räumen müssen. Er hatte danach verschiedene Posten in der freien
Wirtschaft innegehabt, bis er nach Beginn des Krieges zum Leiter des
Reichsschatzamtes, des späteren Finanzministeriums, und sodann 1916
zum Vizekanzler und Staatssekretär des Innern berufen wurde. Der konservative
Helfferich hatte schon Erzbergers Friedensresolution bekämpft,
wegen des Waffenstillstandsabkommens prangerte er ihn als Verderber
Deutschlands an. Jetzt brach Helfferich eine beispiellose Pressekampagne
vom Zaun. In einer Artikelserie, die er später unter dem Titel „Fort mit
Erzberger" zusammengefaßt nochmals veröffentlichte13, warf er dem Finanzminister
unter anderem unwahre Angaben bis zum möglichen Meineid
, Sabotierung der deutschen Kriegspolitik und die Vermischung privater
Geldinteressen mit seinen öffentlichen Ämtern vor. Angesichts derart massiver
Vorwürfe sah sich Erzberger gezwungen, Beleidigungsklage zu erheben
. Der im Januar 1920 beginnende Prozeß kehrte sich rasch als Waffe
gegen Erzberger, denn dessen gesamtes Privatleben wurde durchleuchtet,
das Beweisergebnis tagtäglich durch die lauernde Presse gezerrt. Voreingenommenheit
war spürbar nicht nur bei den konservativen Justizbediensteten
, sondern ebenso beim Publikum im Berliner Gerichtssaal wie draußen
in deutschen Landen. Da erstaunt es nicht, daß Helfferich schließlich im
März 1920 für seine zahlreichen beleidigenden Vorwürfe lediglich zu einer
Geldstrafe von 300 Mark verurteilt wurde. Schlimmer noch für Erzberger:
In den Urteilsgründen wurde dargelegt, daß die herabsetzenden Behauptungen
sich in einer Reihe von Fällen durchaus als zutreffend erwiesen hätten14
. Fraglos hatte Erzberger es in eigenen Angelegenheiten zuweilen an
wägender Zurückhaltung und Sinn für Integrität fehlen lassen, eine strafbare
Handlung hingegen könnte man ihm nach heutigen Begriffen keineswegs
vorwerfen. Nach dieser Urteilsverkündung aber vermochte er sich
nicht im Ministeramte zu halten. Er bat den Reichspräsidenten Ebert um

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