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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 534
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Die Vaterstadt. Eine Ergänzung

Seiner „Vaterstadt Hornberg"20 - die aber eher seine Mutterstadt war -
widmete Wilhelm Hausenstein eines seiner letzten Bücher. Für ihn blieb
„das berühmte Hornberg, aus dem ich stamme"21 zeitlebens das Zentrum,
das ihn anzog; auch wenn er sich von ihm entfernte, ja gerade dann. Als
Hausenstein schon ein renommierter Reiseschriftsteller war, schrieb ihm
Benno Reifenberg, er wisse, „daß Sie die Fremde so mit allen Nerven
wahrnehmen durften, weil Ihnen niemals, nicht unter den Palmen am Co-
mersee, nicht im Hotelzimmer in Paris, nicht an den Grachten in Amsterdam
, nicht in der mitleidlosen Sonne von Avignon die blauen Höhen des
Schwarzwalds entschwunden sind"22. Dazu hatte der Angesprochene an
anderer Stelle geschrieben: „Den Norden, der mich geboren hat, trage ich
zuunterst im Blut, und gegen den Süden kann ich ihn so wenig austauschen
, wie ich mein Blut austauschen kann oder möchte; und ich weiß, daß
ich jetzt im Süden so ruhig leben kann, weil es dahinten den erregten und
erregenden Norden gibt. Ich würde den Süden, den ich liebe, an dem Tage
nicht mehr ertragen, an dem es den Norden nicht mehr gäbe; er brächte
mich zur Verzweiflung."23 Und in diesem Sinne konnte er sogar schreiben:
„Wenn man mich selbst einmal als einen Provinzialen bezeichnen sollte,
würde ich es als eine echte Definition und damit als eine Auszeichnung
empfinden."24

Aber Hornberg war noch mehr: nämlich die Stadt, die durch das Hornberger
Schießen sprichwörtlich geworden ist. (Es heißt, daß die Hornberger
ihren Landesherrn einst mit den üblichen Böllerschüssen begrüßen wollten
und diese so lange übten, daß sie bei seinem Einzug und Empfang ihr Pulver
schon ganz verschossen hatten25). Hausenstein scheute sich nicht, den
Hornberger Habitus, der in dieser Episode zutage trat, für sich selber zu reklamieren
: nämlich die Neigung zum ungeduldigen, voreiligen Handeln.
Er habe es (so schrieb er in einem unveröffentlichten, für seine Tochter
Renee-Marie bestimmten Manuskript) „bis an die Schwelle meines siebenten
Jahrzehnts nicht verlernen können, aus einem allzu vergnüglichen oder
allzu betrübenden, ja der Verzweiflung zutreibenden Überschwang der
Phantasie den Wirklichkeiten vorzugreifen"26. Und im Vorbericht zu seiner
Autobiographie sprach er von der „überfallenden Schnelligkeit meines
Temperaments"27, zählte er die „übereilende Unbefangenheit"28, die „vorauseilende
Hörigkeit gegenüber dem Uhrzeiger, Verlässigkeit und Ungeduld
in Einem"29 zu seinen „hervorstechenden Eigenschaften"30. Rene
Schickele hat, nach Richard Seewald, einmal gesagt, „nie wieder würde er
mit Hausenstein reisen: der beginne schon zu sprechen, bevor er etwas gesehen
habe. Das war allerdings nicht richtig. Wie oft hatten auch wir diesen
Eindruck, wenn er bei uns im Atelier war, aber was er nachher schrieb,
bewies, daß er vortrefflich gesehen hatte."31

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