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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 623
(PDF, 127 MB)
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lust an, und war es vor drei, vier Generationen für manchen Dorfbewohner
noch ein Ereignis, wenn er die Grenzen der Gemarkung überschritt, so
reicht der Aktionsradius nun oft über die Grenzen des Kontinents hinaus.
Und als Boris Becker 1985 erstmals in Wimbledon siegte, machte das Tennisfieber
, das ganz Deutschland plötzlich befiel, auch vor einem Dorf wie
Schutterwald keinen Augenblick halt. Heute gelangen die neuesten Attraktionen
der Sport-, Kultur- oder Reiseindustrie ohne Verzögerung flächendeckend
übers ganze Land. Was dabei mehr und mehr verloren zu gehen
droht, ist das, was man mit Recht noch als „Kulturlandschaft" bezeichnen
kann. Daran aber hängt das Herz der Menschen.

Ganz zeitgemäß mag es nicht mehr sein, aber genau davon, von dieser
„Kulturlandschaft" mitten im Alemannischen ist in den Bildern von
Andreas Meier etwas aufgehoben. Gewiß, eine kunsthistorische Größe war
er nicht. Aber wenn man die Kirche im Dorf bzw. Andreas Meier in
Schutterwald (wohin er denn doch gehört) läßt, kann in seinem Werk etwas
sehr authentisches sichtbar werden. Hier ist lebendig ein Stück von jener
Geschichte und Kultur seines Heimatdorfs überliefert, das heute vergangen
ist: Wie oft hat Meier die Menschen in Schutterwälder Tracht dargestellt?
Die Häuser auf seinen Bildern haben zumeist noch Fachwerk, der dazugehörige
Hof ist noch nicht gepflastert, die Vegetation in den Gärten erscheint
noch üppiger und urwüchsiger als heute, und man sieht, auf Landwirtschaft
wollte oder konnte man damals noch nicht verzichten. Auf einem
anderen Blatt finden wir den stillen und schattigen Höfener Grasgarten
, heute ist es ein Neubaugebiet. Die wunderbaren Schutterlandschaften,
an denen auch wir heute noch unsere Freude haben, hat der Maler für uns
in einem Zustand erhalten, als noch keine Hochspannungsleitungen ihren
Reiz störten. Den Zyklus der Jahreszeiten, die Fastnacht, die Kirchenfeste,
die Kinderspiele früherer Zeiten und manch altes Brauchtum hat er im Bild
festgehalten. Dann wieder entdeckten wir den alten von einem Roß gezogenen
Totenwagen und den Trauerzug der Dorfbewohner, der vor dem Bau
der ersten Leichenhalle Mitte der sechziger Jahre die Verstorbenen noch
von daheim abholte und mit dem Meier selbst noch auf den Friedhof geleitet
wurde. Schließlich geben über jene vergangene Welt des Bauerndorfs
auch die Tagebücher gelegentlich Aufschluß.

Das macht den Reiz seiner späten Bilder aus. Als im April 1995 das Werk
Andreas Meiers in einer umfassenden Ausstellung im Schutterwälder Rathaus
präsentiert war, kamen die Bürger des Dorfs zahlreich. Es war, als
habe da einer der ihren für sie ihre eigenen Erinnerungen gemalt.

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