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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 649
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Der Triberger Rathaussaal:
Ein Kleinod wird 70

Wolfgang Müller

Schlecht waren die Zeiten um die Mitte der 1920er Jahre und keineswegs
geeignet, für etwas „Zweckloses" 20 000 Reichsmark auszugeben, als
1926 der Plan auftauchte, einen holzgeschnitzten Ratssaal entstehen zu lassen
. Acht Jahre waren vergangen seit dem Ende des 1. Weltkriegs und erst
drei Jahre nach dem Krisenjahr von 1923. Noch lebte die Dolchstoßlegende
, die den angeblichen Verrat der Heimat an der im Feld unbesiegten Armee
als Grund für den verlorenen Krieg verbreitete. Darüber hinaus lasteten
Wirtschaftskrise und Reparationszahlungen an die Siegermächte
schwer auf dem Land. In diesem Umfeld erschien es wahrlich vermessen,
soviel Geld für die dringend notwendige Erneuerung des Sitzungsraums
von Gemeinderat und Bürgerausschuß (= Bürgervertretung gemäß der damaligen
Gemeindeordnung) auszugeben. Und nicht wenige waren der Ansicht
, nur das Notwendigste zu renovieren und das verbleibende Geld für
etwas „Sinnvolleres" auszugeben. Doch Ewald Keil, der Triberger Bürgermeister
, glaubte, gute Gründe für das Projekt vorweisen zu können, und
war sich daher seiner Sache sehr sicher. Er wollte dem darniederliegenden
Handwerk Arbeit und Verdienst verschaffen und gleichzeitig späteren Generationen
zeigen, was die Stadt Triberg selbst in schwerster Zeit über die
Sorge des Alltags hinaus zustande gebracht hat. Und seine Rechnung ging
voll auf. Sogar die Überschreitung des Kostenvoranschlags um knappe
25%, die den Gesamtaufwand auf 25 000 Reichsmark schraubte, wurde
letztendlich akzeptiert.

Bürgermeister Keil glaubte, kein anderer als der einheimische Schnitzermeister
Karl Josef Fortwängler, genannt „Schnitzersepp", sei fähig, ein
Werk wie die künstlerische Gestaltung eines Ratssaals zu planen und auszuführen
. Ohne sich um die Grundsätze der Auftragsvergabe durch die öffentliche
Hand zu kümmern und ohne die Beschlußgremien auch nur gefragt
zu haben, erteilte er dem „Schnitzersepp" einen Aufrag zur Lieferung
künstlerischer Arbeiten für das Rathaus. Spätestens jetzt begann die ganze
Geschichte, groteske Züge anzunehmen. Unter dem Datum vom 21. März
1926 wurde in den Rathausakten vermerkt, Fortwängler habe um eine Abschlagszahlung
von 1000 Mark für bereits fertige Arbeiten aus diesem
Auftrag gebeten. Und in der Tat hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits eine
ganze Reihe der später verwendeten Schnitzereien fertiggestellt. Doch niemand
im Rathaus, in Gemeinderat und Bürgerausschuß wußte überhaupt

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