Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 676
(PDF, 127 MB)
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gangenheit, sondern zeigt insbesondere
die politische Dimension, die Konflikte
der jeweiligen Gegenwart, die polarisierende
Wirkung des Gedenkens auf. Die
grundlegende Erschütterung durch
1870/71, 1914/18 und 1939/45 habe die
Gesellschaft als ganzes verändert, das Bedürfnis
nach öffentlichem Kriegsgedenken
hervorgerufen. „Vor dem Hintergrund
veränderter gesellschaftlicher Bedingungen
wurde in kollektiv zelebrierten Ritualen
dem Krieg und der Erinnerung an ihn
ein Sinn zugesprochen, der Kriegsgedenken
zu einer eminent politischen Angelegenheit
machte: Der Umgang der deutschen
Gesellschaft mit ihrer kriegerischen
Vergangenheit ist bis heute ein Indikator
für ihren Zustand in der Gegenwart." Die
Beiträge zeigen, so die Autoren weiter,
daß Kriegserinnerung nicht immer als Appell
für den Frieden gedacht war, sondern
häufig genug „der geistigen Aufrüstung
diente".

Ute Scherb, die derzeit an einer Dissertation
über politische Denkmäler in Freiburg
arbeitet, erläutert die Funktionen von
Kriegerdenkmälern. Im Gegensatz zu
heute, wo sie in der Bevölkerung kaum
mehr wahrgenommen würden, waren sie
ursprünglich dazu gedacht, dem Kriegstreiben
posthum einen Sinn zu verleihen.
Im Kaiserreich wurde der Sieg über
Frankreich und der badische Anteil daran
gefeiert. Die „Heldentaten" sollten bis in
die 90er Jahre des 19. Jahrhunderts den
Nachgeborenen ein Vorbild sein. Das war
nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg
bereits nicht mehr möglich. Statt dessen
symbolisierte etwa die Germania des offiziellen
Kriegerdenkmals der Stadt Freiburg
, daß Deutschland sich langfristig mit
dem verlorenen Krieg nicht abfinden werde
. Den Gefallenen sei deshalb eine zentrale
Rolle zugeschrieben worden, weil ihr
Tod nicht umsonst gewesen sein durfte. Er
mußte vielmehr im nachhinein durch den
Einsatz der Jüngeren gerechtfertigt werden
. Nach 1945 sind Kriegerdenkmäler
aus der Mode gekommen zugunsten allgemein
gefaßter Mahnmale. Dabei konzentrierte
sich das Gedenken in Freiburg auf
die eigenen Bombenopfer. Das Darstellen
der leidenden Frauen und Kinder ersparte,
so Scherb, zunächst eine Auseinandersetzung
mit dem Nationalsozialismus. Die
Anwendung von Gewalt sei generell verurteilt
worden, ohne das NS-Regime und
die Verstrickung der Deutschen konkret
zu benennen. Das gilt nicht nur für Freiburg
und ist bis heute überall in Deutschland
zu beobachten.

Andreas Weber, Referendar am Hauptstaatsarchiv
in Stuttgart, schildert, wie das
Kriegsgedenken zwischen 1870/71 und
Erstem Weltkrieg fester Bestandteil der
protestantisch-nationalliberalen Milieukultur
war. Erinnert wurde an die aus dem
Krieg hervorgegangene Einheit der Nation
, während hingegen das existentielle,
übernationale Gedenken an den Krieg als
ein massenhaftes Töten menschlichen
Lebens keine Rolle spielte. Denn alles
Militärische wurde verherrlicht, um die
Bevölkerung im Gedenken an den vergangenen
Krieg moralisch auf den nächsten
vorzubereiten. In einem zweiten Beitrag
untersucht Andreas Weber das Gedenken
an die Zerstörung Freiburgs am 27. November
1944. Sein Ergebnis: „In der
Geschichte Freiburgs bleibt die Zerstörung
[. ..] als einer der traurigsten Tage
für die Stadt und ihre Bürger in Erinnerung
."

Christian Geinitz. dessen Dissertation
über den Kriegsausbruch 1914 in Freiburg
mittlerweile vorliegt, belegt eindrucksvoll
seine These, daß die Fliegerangriffe im
Ersten Weltkrieg auf Freiburg einen gewaltigen
Einbruch in die Lebenswelt der
Stadt bedeutet haben. Traditionelle Vorstellungswelten
und Reaktionen, verwurzelt
in einer vormodernen Zeit, seien auf
die Auswirkungen des modernen, strategisch
konzipierten, gesamtgesellschaftlich
geführten Technikkrieges des 20. Jahrhunderts
geprallt. Die friedliche Heimat, bisher
vom Kriegsschauplatz getrennt, mußte
schmerzlich die neue Dimension des all-

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