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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
77. Jahresband.1997
Seite: 550
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in der späteren Vaubankaserne in Freiburg und in den Barackenlagern des
Daimler-Benz-Konzerns in und um Mosbach in Nordbaden eingerichtet
worden. Auch die Offenburger Ihlenfeldkaserne diente für die nächsten
Monate als Sammelquartier für Russen und Polen49. Am 1. Juni 1945 waren
hier 4000 Männer und Frauen untergebracht50. Ihr Verhalten bereitete
den Behörden einiges Kopfzerbrechen. Sie plünderten, vergewaltigten und
töteten gelegentlich auch Einheimische - um sich anzueignen, was ihnen
die Deutschen jahrelang vorenthalten hatten, und um erlittenes Unrecht
heimzuzahlen51. Allerdings waren nennenswerte Übergriffe der DPs
zunächst nicht zu verzeichnen gewesen, bis ein Ereignis Anfang Mai die
Situation mit einem Schlag änderte. Es traten nun Zustände ein, die der
Pfarrer von Weingarten folgendermaßen beschrieb: „Eine ganz große Plage
entstand unserer Bevölkerung durch die bedauernswerte Maßnahme, daß
die bisher in der Gegend sich befindlichen kriegsgefangenen Russen und
Polen in Offenburg am Eingange zu unserer Pfarrei zusammengezogen
wurden."52 Was war geschehen?

Am frühen Morgen des 4. Mai 1945 zerrissen drei Detonationen im Abstand
von dreißig Minuten die Stille der Sperrstunde. Drei Gebäude wurden
durch die Explosionen stark beschädigt. Zum Aufräumen setzten die
französischen Militärbehörden verhaftete Nazifunktionäre aus ganz Baden
ein. Diese bargen aus den Trümmern 114 tote und wohl ebenso viele, oft
schwer verletzte Russen53. Die zum Teil gräßlich verstümmelten Leichen
wurden entlang der Straße aufgebahrt und mit Tüchern und Säcken zugedeckt54
. Die Stadtkommandantur nahm zunächst an, daß der Anschlag auf
das Konto von Offenburger Nationalsozialisten gehe, aber wie sich herausstellte
, hatte die Wehrmacht vor ihrer Flucht Minen in den Gebäuden eingemauert
und mit Zeitzündern scharf gemacht55.

Der Anschlag ließ den französischen Stadtkommandanten das Schlimmste
befürchten. Er forderte deshalb die Russen und Polen in der Stadt umgehend
durch Plakate auf, wenigstens die Lebensmittelgeschäfte zu verschonen
, wenn sie als Antwort auf diesen Anschlag plünderten: „Russen und
Polen, Kameraden! Plündern und verwüsten Sie keine Produktgeschäfte,
insbesondere keine Brotgeschäfte (Bäckereien). Wenn Sie das Plündern
fortsetzen, werden Sie selbst nicht genug Brot haben. Unser Gebiet wurde
schon genug verwüstet und geplündert. Bewahren Sie Disziplin und Ordnung
und führen Sie die Befehle Ihres Lagerkommandanten aus."56 Der
Aufruf, der ohnehin genug Hilflosigkeit verriet, blieb unbeachtet. Plünderungen
und tätliche Angriffe auf die einheimische Bevölkerung, denen
mehrere Personen zum Opfer fielen, waren in den folgenden Monaten an
der Tagesordnung57. Die Reaktionen der deutschen Seite darauf sind bemerkenswert
. Schon fünf Tage nach der Explosion meldete der inzwischen

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