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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
77. Jahresband.1997
Seite: 620
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1997/0620
Streiflicht auf die Not der Winzer in dieser Gemeinde wirft eine Notiz des
Ortsbereisungsprotokolls von 1878: Die Gemeinde Tiergarten ist ein vorzüglich
Rebbau treibender Ort, in dem jeder Bürger nahezu 23 a Gemeindereben
besitzt und außerdem viele Bürger noch eigene Reben haben. Die
Verhältnisse dieser Gemeinde sind daher infolge der letzten ungünstigen
Weinjahre sehr mißlich, zumal da auch in diesem Jahr der Herbstertrag
wegen des Schwarzbrenners ein sehr schlechter sein wird. Diese schlimmen
Verhältnisse haben zur Folge, daß im laufenden Jahr die Gemeindeumlagen
bei vielen Bürgern nur schwer oder gar nicht aufgebracht werden
können150. Der Anteil der Weinbaukulturen an der gesamten Gemarkungsfläche
war derart hoch, daß der Ausfall der Weinernte über das wirtschaftliche
Wohl und Wehe der Einwohner entschied. Von der Gesamtgemarkung
mit 357,9 ha nahm die Rebenfläche einen Anteil von 61,4 ha ein151.
Dagegen hatte die benachbarte Gemeinde Haslach zur selben Zeit von den
278,4 ha ihrer Gemarkung nur 29 ha mit Reben bepflanzt und konnte die
schlechten Weinjahre durch gute Erträge aus dem Obstbau und der Viehzucht
kompensieren152. Entsprechend riet man den Tiergartenern, „den
Rebbesatz zugunsten anderer Betriebsarten zu vermindern", die Obstanlagen
auszudehnen, die Obstbäume besser zu pflegen, den Wiesen und
Ackerbesitz zu vermehren, mehr Vieh und Schweine zu halten und die
Söhne ein Handwerk lernen zu lassen153. Die Umlegung von Reb- zu
Ackerland bereitete jedoch wegen der Parzelliertheit des Geländes Probleme
, selbst der Amtsvorstand empfand es als unrichtig, ein Rebgelände aufzugeben
, „auf dem bester Wein wächst". Schließlich war es in Tiergarten
ein Mentalitätsproblem, vom Weinbau sich zu trennen: „Der Weinbauer
sitzt dem Tiergartner zu sehr in Fleisch und Blut, als daß er von dieser von
den Voreltern überkommenen Lebensweise ohne Grund abgehen möchte
"154. Die wirtschaftliche Lage der meisten Einwohner war wegen der
zahlreichen Fehlherbste verzweifelt. Schon Mitte der 1880er waren die
Einwohner wegen der Mißjahre von 1876-1883 erheblich verschuldet.
Selbst die besseren Weinernten 1884/85 reichten nicht aus, um Steuern,
Abgaben und Schuldzinsen bezahlen zu können. „ Wegen Mangel an Geld
und Boden können die Tiergartner nicht einmal die nötige Brotfrucht und
das Futter zur Viehzucht anbauen", wurde festgestellt155. Die Amerikaauswanderungen
nahmen zu. 1890/91 wurden drei Höfe zwangsversteigert,
darunter der Rebhof des Leo Müller, der die besten Rebgüter der Gemarkung
besaß156. Nach der Jahrhundertwende gab es in Tiergarten allerdings
kaum noch Zwangsversteigerungen, „weil Gläubiger befürchten, Rebgelände
kaufen zu müssen, das kaum nachgefragt wird"157.

Auch auf der anderen Seite des Renchtrichters, in der Gemeinde Herztal-
Meisenbühl führten die Mißjahre zu einer Notsituation der Winzer. In einem
Ortsbereisungsprotokoll aus dem Jahr 1910 heißt es: „Ein großer Teil

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