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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 209
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Zehnten, als daß ein aus der Erinnerung vorhandenes Zusammengehörigkeitsgefühl
nicht auf die evangelischen Vettern und Erben hätte übertragen
werden können. Die beiden hervorragenden Gebäude im Ort, die Kirche
und das Rathaus, waren zur Zeit der Markgrafen und mit ihren Zuschüssen
errichtet worden. Wenn die Gläubigen das Gotteshaus betraten, fiel ihr
Blick auf das prächtige badische Allianzwappen am Triumphbogen, und
noch bevor sie sich vor Gottvater über dem Hochaltar verneigten, erregte
der rote Balken auf Goldgrund ihre Aufmerksamkeit. Das aber waren auch
die Farben der neuen Herren.

Die politische Aufklärung lag wohl im argen trotz der Berichterstattung
über die Reden in der Zweiten Kammer und der sich verstärkenden Publizistik
. Die Poststelle Appenweier lieferte zwar 27 Exemplare des „Volksführers
" aus, einer radikalen Zeitung aus Heidelberg, aber nur eines im Ort
Appenweier, an den Lindenwirt Sieb85, daneben las auch Kaufmann Fäßler
ein verdächtiges Blatt, dessen Titel nicht genannt wird86.

Jenes Dutzend Bürger, das sich aktiv am Umsturz beteiligte, gehörte zwei
unterschiedlichen Gesellschaftsschichten an. Theoretisch eingeteilt, stellte
jede der beiden eine typische Gruppe dar, der üblicherweise revolutionäre
Energie zugeschrieben wird, die Armen, die eine gerechtere Aufteilung der
Güter anstreben, die Reichen, die mehr Mitsprache im Staat und eine stärkere
Anerkennung in der ständischen Gesellschaft verlangen.

Der Eifer, sich für eine Umwälzung einzusetzen, schien zumindest beim
zweiten Personenkreis recht gebremst. Sie besaßen bereits wirtschaftliche
und politische Macht. Sie saßen im vollen, betrieben fast aristokratische
Heiratspolitik auch über die lokalen Grenzen hinaus, schickten von ihren
Söhnen auf die Universität. Den langjährigen Deputierten des Bezirkes in
der Zweiten Badischen Kammer konnten sie innerhalb ihrer Verwandtschaft
beeinflussen. Bei der Nachwahl Knapps, nachdem auch Hodapp
sein Mandat niedergelegt hatte, brachten sie das Oberhaupt der Familie,
den Altadlerwirt Ignaz Werner immerhin auf den zweiten Platz und 1861
Posthalter und Kronenwirt August Werner ins Parlament87. Konnten sie
wirklich erwarten, daß ein demokratisches Staatswesen ihre wirtschaftliche
und gesellschaftliche Stellung verbessern würde? Man kann es bedauern:
In Appenweier beherrschten in der Mitte des Jahrhunderts überkommene
Vorstellungen das Denken der Bürger. Die neuen Ziele wurden nur von wenigen
erfaßt und nur halbherzig verfolgt.

Auch jene, die große Hoffnungen in die Republik gesetzt hatten, machten
ihren Frieden mit der Reaktion. Zwischen Dezember 1850 und Dezember
1854 stellten mindestens 50 Bürger und Bürgerinnen (Begleitpersonen,

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