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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 430
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In diese turbulenten Tage fällt auch ein Geschehen, das die Großmutter väterlicherseits
des Verfassers miterlebt hat, und das nach den Aufzeichnungen
seines Vaters hier verkürzt wiedergegeben werden soll: Wenige Tage
bevor die Preußen kamen, betrat ein flüchtiger Freischärler den Hof des
Andreas Bertsch (1795-1873), Urgroßvater des Verfassers (nicht identisch
mit dem prov. Bürgermeister) und verlangte, sofort mit dem Pferdefuhrwerk
nach Offenburg gebracht zu werden, dort wollten sie die Preußen dazwischen
nehmen. A. Bertsch antwortete: Geht nach Hause und arbeitet,
das wäre besser. Der Freischärler zog darauf die Pistole, worauf A.
Bertsch meinte: Gell, Lump, wenn du Pulver hättest. Als daraufhin dieser
handgreiflich werden wollte, ergriff A. Bertsch den Misthaken und nur das
Dazwischentreten seiner Tochter konnte Schlimmeres verhüten. Inzwischen
hatte der Stiefbruder von A. Bertsch, Christian Bertsch, angespannt.
Beim Aufsteigen auf den Wagen rief der Kerl A. Bertsch zu: Ich will mir
die Hausnummer aufschreiben. Warte nur, wenn wir zurückkommen. Ja,
wenn ihr zurückkommt, antwortete A. Bertsch.

Von den drei in Lichtenau wohnenden Urgroßvätern des Verfassers waren
- A. Bertsch eingeschlossen - zwei großherzoglich gesinnt, einer sympathisierte
mit der Revolution. Der älteste Sohn von A. Bertsch, Ludwig
Bertsch, war Wachtmeister bei den gelben Dragonern in Karlsruhe und
nahm an den Kämpfen bei Waghäusel teil.

Am 29. Juni 1849 hatten die Preußen die Murglinie erreicht und erzwangen
am 30. d. Mts. den Durchbruch. Bei den Kämpfen am Federbach (zwischen
Malsch und Steinmauern) war ein Lichtenauer Wehrmann gefallen:
Georg Eisenstein, der Sohn des Jacob Eisenstein, der einer der „Instrukto-
ren" der Bürgerwehr war und 1854 auf Gemeindekosten nach Amerika
auswanderte30.

Warum die Karlsruher Revolutionsregierung gerade Lichtenau zu einem
Auffangzentrum für zurückflutende Wehrmänner ausersehen hatte, läßt
sich unschwer erklären: Die Welle der Volksvereinsgründungen, die zu Beginn
des Jahres 1849 fast jedes Hanauer Dorf erfaßte, ließ die radikalen
Demokraten große Hoffnung auf diesen Landstrich setzen. Von seinen Bewohnern
hofften sie noch am ehesten, eine Rückkehr zur Front erwarten zu
können. Diese Hoffnung aber trog. Waren die Hanauer unsichere Kantonisten
? Die Sache ist komplexer und berührt Ursache und Verlauf der Revolutionsjahre
1848/49. Die politische Hochstimmung im Frühjahr 1849 entsprang
der Freude über den gelungenen Schritt vom Untertan zum mündigen
Staatsbürger. Die fröhlichen Teilnehmer an der Offenburger Volksversammlung
(13. 5. 49) dachten nicht daran, mit überzogenen Forderungen
einen Bürgerkrieg zu riskieren und Leib und Leben einzusetzen. Es war

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