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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 443
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zu verhindern. Als dieser trotzdem dort seine Praxis eröffnete, entzog er
ihm eineinhalb Jahre lang das Aversum für die Behandlung der Ortsarmen
(25 Gulden und 100 Wellen). Bei Einquartierungen wäre er über Gebühr
belastet worden. Am merkwürdigsten wäre aber sein politisches Verhalten
gewesen. Während er in den Leumundszeugnissen fünf Lichtenauer Bürger
wegen ihrer Teilnahme an der Revolution anklagte, wäre er selber ein ausgesprochener
Republikaner gewesen. Er nahm an folgenden politischen
Versammlungen teil: September 1847 und März 1848 in Offenburg, bei
zwei Versammlungen im April 1848 in Achern. Er rühmte sich der Freundschaft
Heckers und besuchte denselben im „Rebstock" in Straßburg. Er berief
noch in der Nacht vom 13.-14. 5. 1849 die Gemeindeversammlung ein
und verlangte, das erste Aufgebot solle sofort nach Karlsruhe ziehn. Am
nächsten Tag ließ er das 2. Aufgebot nach Rastatt ziehn. Die forcierte Waffenbeschaffung
durch Stengel wurde früher schon angeführt. Dr. Götz gibt
sechs Zeugen dafür an, daß Bürgermeister Stengel während des Struveauf-
standes auf der Gasse ausgerufen habe: Wenn einmal die Zeit kommt, so
will ich mein Mütchen an euch Bürgern kühlen. Ihr seid nur Maulrepublikaner
, ich aber habe ein republikanisches Herz, und wenn heute Hecker
oder Struve kämen, so würde keiner von euch mitziehn.

Stengel glaubte offenbar Bürgermeister bleiben zu können, wenn er andere
belaste, um seine eigene Vergangenheit vergessen zu machen.

Obwohl Bürgermeister Stengel am l. 7. 1849 wieder in sein Amt eingesetzt
wurde, beendete er seine Tätigkeit noch im Jahre 1849. In Ermangelung
einschlägiger Unterlagen aus dem Gemeindearchiv läßt sich sein rascher
Abgang nur so erklären: Die Wilhelm Stengel kompromittierenden
Aussagen in den Gerichtsakten von Dr. Götz (Ende 1849) sind den zuständigen
Regierungsstellen in Karlsruhe zu Ohren gekommen, die dann den
Abschied von Stengel veranlaßten. Sechzehn Jahre später (1866) wanderte
er zum zweiten Mal nach Amerika aus und starb 1870 in New York im Alter
von 59 Jahren73.

Geboren wurde er am 5. 2. 1811 als Sohn des Tuchmachers Johann Jacob
Stengel. Seine markantesten Eigenschaften waren seine Eigenwilligkeit
und seine Ichbezogenheit. Er machte nur dort mit, wo er allein das Sagen
hatte. Er war skrupellos in der Wahl der Mittel, mit denen er die Hindernisse
beseitigte, die sich ihm in den Weg stellten. Neben diesen Schattenseiten
muß er aber auch imponierende Eigenschaften besessen haben, sonst wäre
er nicht 1838 in freier Wahl zum Bürgermeister erkoren worden: Welterfahrung
, Energie und geistige Beweglichkeit. Mit diesen Eigenschaften
hatte er auch im September 1848 die bedrohliche Situation in Lichtenau
gemeistert.

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