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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 528
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einer Lokomotive nach Karlsruhe fahren und dort Bericht erstatten wollte.
Nach Beratung mit Groß verzichtete er jedoch auf das Unternehmen, weil
voraussichtlich die Passage in Appenweier auch schon gesperrt sein dürfte
und ich bei den nächsten Ereignissen auf meinem wesentlichsten Posten zu
Kehl auch nicht fehlen wollte, zumal man inzwischen in der Stadt Generalmarsch
schlagen hörte. Die Kehler Revolutionäre besetzten in der Folge
den Bahnhof und überwachten die Amtshandlungen des Personals. Besonders
kam es ihrem Anführer und späteren Zivilkommissär, dem Arzt Küch-
ling, laut Harweng darauf an, daß ich und der Cassier das Manneswort
darauf gehen sollen, bis auf weitere Erlaubniß keine Geldablieferung nach
Carlsruhe abzulassen in welchem Falle er desfallsige Maßregeln zu unterlassen
versprach. Auch die ausgehende Briefpost wurde von den Revolutionären
kontrolliert, insbesondere untersagten sie die Absendung dienstlicher
Berichte nach Karlsruhe. Hiergegen verwahrte sich Harweng ausdrücklich
; seine umgehend verfaßte Schilderung der Ereignisse wurde aber
entdeckt und von einem Bürgerwehroffizier zurückgehalten.

Noch am Abend des 13. Mai erschienen auf dem Kehler Bahnhof mehrere
Hundertschaften bewaffneter Freischärler, die mit einem „Extrazug" nach
Karlsruhe gebracht werden wollten. Gegen Harwengs ausdrückliche Weigerung
ging dieser Zug kurz vor Mitternacht ab. Auch aus anderen Landesteilen
kamen Sonderzüge in der Residenzstadt an,53 und viele Einzelpersonen
meinten in diesen Tagen, daß die eben errungene Freiheit auch kostenlose
Benutzung der Staatsbahnen mit sich brachte. Am personell unterbesetzten
Eisenbahnknotenpunkt Appenweier herrschten besonders chaotische
Zustände, so daß Stationsleiter Wilhelm den revolutionären Sicherheitsausschuß
mit Erfolg um Mithilfe bei der Zugkontrolle bat.54

In Karlsruhe befaßte sich der Landesausschuß, dem nach der Flucht des
Großherzogs und seiner Minister die Macht in den Schoß gefallen war, bereits
auf einer seiner ersten Sitzungen mit den anarchischen Zuständen im
Zugverkehr. Der zum Zivilkommissär des Mittelrheinkreises ernannte Offenburger
Apotheker Eduard Rehmann kam um Abhülfe gegen den
Mißbrauch der Eisenbahn ein. Beschlossen wurde daraufhin:

/. Die Eisenbahn wird wie bisher unter das Ministerium des Auswärtigen gestellt, und
ohne dessen Anordnung und ausdrückliche Bewilligung dürfen keine Extrazüge angeordnet
werden.

2. Geordnete Züge vom 1. 2. und 3t Aufgebot, letzere [sie] wenn sie in nächster Zeit in die
Heimath zurückkehen, nachdem sie die Waffen für das Unterland ergriffen haben,
ebenso Deputationen von Gemeinden, wenn sie an den Landes Ausschuß abgesendet
wurden, und endlich

3. politische deutsche Flüchtlinge, welche sich als solche glaubwürdig ausweisen, unend-
geldlich auf der Eisenbahn befördert werden.55

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