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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 619
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bevölkerung war nicht bereit, das Gemeindeeigentum mit weiteren Nutznießern
zu teilen, schon gar nicht mit den als Fremde angesehenen Juden.
Diese ablehnende Haltung war wohl der Hauptgrund, weshalb die Regierung
davor zurückschreckte, die rechtliche Gleichstellung der Juden auf
Gemeindeebene zu vollziehen. Groß war auch die Angst der Kommunen,
die jüdischen Armen, von denen es viele gab, nun ebenfalls versorgen zu
müssen. Das System der gemeindlichen Sozialfürsorge war eh kaum in der
Lage, für alle christlichen Unterstützungsbedürftigen aufzukommen. Andererseits
mußten die vermögenden Juden die christlichen Kirchen- und Armenlasten
mittragen. 1844 kam es deswegen in Nonnenweier zum Streit.
Als sich neun Juden weigerten, diese Abgaben zu entrichten, wurden sie
von der Kreisregierung zur Zahlung gezwungen.19

Große Hoffnung setzten die Juden auf die 1831 neu gewählte liberale
Volksvertretung. In einer gezielten Petitionskampagne baten sie um den
Vollzug ihrer rechtlichen Gleichstellung mit den badischen Christen. Auch
die jüdischen Gemeinden des Amtsbezirkes Euenheim hatten eine Petition
verfaßt, die sich wie ein Bekenntnis zum Liberalismus liest: Künste und
Gewerbe gedeihen nur da, wo sie frey sich ohne Zwang kultiviert werden
können durch freyen Verkehr; durch den Austausch gegenseitiger Bedürfnisse
werden sie befördert, durch Beschränkungen hingegen gehemmt... Ist
dem Staat wirklich darum zu thun, uns zu nützlichen Bürgern zu qualifizieren
, liegt ihm unser Wohl und Gedeihen wirklich am Herzen, so gebe man
uns die völligen staatsbürgerlichen Rechte. Man hebe alle Beschränkungen
auf, die nur zusehr das Gepräge des Mittelalters tragen und nicht in eine
Perode passen, wo Gewissensfreiheit und Toleranz der allgemeine Wahlspruch
ist. Der Glaube soll frey seyn und ohne allen Einfluß auf das politische
Leben. Eine Volksklasse im Staat stiefmütterlich zu behandeln, ist weder
klug noch human.20 Die Juden wurden herb enttäuscht, zwar hoben die
beiden Kammern den Unterschied zwischen Ortsbürgern und Schutzbürgern
auf, aber anstatt die Emanzipation der Juden als Teil des liberalen
Programms zu begreifen, nahmen sie die Minderheit von der neuen Regelung
aus. Die Schichtung der Gemeindeeinwohner in christliche Vollbürger
auf der einen und christliche und jüdische Schutzbürger auf der anderen
Seite wurde nun ersetzt durch eine Aufteilung in christliche Vollberechtigte
und jüdische Minderberechtigte. Die rechtliche Zurückstellung war für
die jüdische Zeitung „Der Israelit des 19. Jahrhunderts" einer der Gründe,
weshalb der Pöbel in seinem Übermuthe (die Juden) als völlig rechtlos betrachtet
und glauben mochte, er dürfe sich alles gegen die vom Gesetz
selbst als Heloten behandelten erlauben}1

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