http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1998/0692
Vielleicht erweist sich diese Hypothese als falsch, wenn sich nämlich eine
Reihe weiterer Mundartgedichte aus den Jahren 1848 und 1849 findet, in
denen möglicherweise optimistische Töne und eine ganz Deutschland betreffende
Thematik vorherrschen. Eine andere Möglichkeit ist, daß im
deutschen Teil des alemannischen Sprachraumes die Mundart hauptsächlich
der lyrischen Schilderung von Dingen, Verhältnissen und Gefühlen im
Umkreis des Hauses, des Hofes und des Dorfes vorbehalten blieb, weil Johann
Peter Hebel und seine „Alemannischen Gedichte" in diesem Sinne
als Vorbild angesehen und mißverstanden wurden.
IV. Ergebnisse
Es scheint gewagt zu sein, von den hier vorgestellten und besprochenen 18
Gedichten aus Folgerungen auf die Revolutionslyrik im ganzen zu ziehen.
Wenn trotzdem - mit der gebotenen Vorsicht - der Versuch gewagt wird,
allgemeine Aussagen zu machen, so ist das möglich, weil sich ähnliche inhaltliche
und formale Merkmale und Intentionen in vielen der Gedichte
aufweisen lassen, ohne daß diese mit genau dieser Absicht ausgesucht
worden wären. Zudem ist es leicht möglich, durch den Vergleich mit anderen
Texten aus den Jahren 1848 und 1849 zu ermitteln, ob tatsächlich die
genannten Merkmale auch dort aufzufinden sind.
Wenn man die 18 Gedichte respektive Lieder zusammenfassend betrachtet,
so ergibt sich folgendes:
- Die Texte spiegeln die Ereignisse der Revolutionsjahre in Baden und in
ganz Deutschland; sie geben Zeugnis von den Erwartungen und den
Hoffnungen des Frühjahrs 1848, den Enttäuschungen des Herbstes und
Winters, dem Trotz und der Wut des Frühjahrs und Sommers 1849;
- sie drücken die Gefühle der an der Revolution beteiligten Personen und
Personengruppen aus. Es sind vor allem die radikalen Demokraten, von
denen die Gedichte handeln und an die sie sich wenden. Wahrscheinlich
war die auf Kompromisse und Ausgleich bedachte Vorgehensweise
der gemäßigten Liberalen in Öffentlichkeit und Parlament zu prosaisch
, als daß sie Dichter herausgefordert hätte.
- Frauen kommen nur am Rande vor. Es gibt die Jungfrauen, die Fahnen
sticken (in Nr. 2) und das „Liebchen" des Demagogen. Amalie Struve,
Emma Herwegh und andere tatkräftige und mutige Frauen werden in
literarischen Texten, die hier nicht aufgenommen werden konnten, gewürdigt
. Die meisten Gedichte aber sehen die Revolution als Sache
von Männern an; deshalb spielen Frauen in ihnen nur Nebenrollen.
692
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1998/0692