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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 704
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Ward'st, ehe Blut noch floß!
Doch, klug, du Held der Feder,
Kehrst den Streitwagen um,
Krochst unter das Spritzleder,
Herwegh, das war nicht dumm!

„Mein Schatz! ins heil'ge Freie!
Den Fürstenknechten Hohn! "
Rief Deine Frau, die Treue,
Kutschierend dich davonn.

Politische Lyrik, mit deren ästhetischen Qualitäten es die von Herwegh
selbst allemal aufnehmen kann. Es mag witzig geklungen haben. Doch
wundert es einen dann doch, daß Justinus Kerner sich nicht zu schade war,
im Titel seines Gedichts, „Herweghs Hinweg und Heimweg", jenes Spiel
mit dem Namen Herweghs zu wiederholen, das der Verfasser des Heckerliedes
schon vor ihm getrieben hatte. Und die Sache mit dem Spritzleder
gab eben eine zu komische Pointe ab, als daß Kerner sie einer Überprüfung
für wert gehalten hätte. So hielt es nicht nur Kerner, so hielten es bekannte
Journalisten und angesehene Historiker. Herwegh schwieg dazu bis an sein
Lebensende, 1875 in Baden-Baden, obgleich er wußte, daß diese breit kolportierte
Verleumdung nicht nur seinem Ruf als politischer Kopf, auch seinem
Ansehen als Literat schadete. Man muß annehmen, daß er sich nicht
auf die Ebene solcher Praktiken begeben wollte.

Erst rund fünfzig Jahre nach dem Gefecht bei Dossenbach und rund zwanzig
Jahre nach dem Tod Herweghs erfuhr eine breitere Öffentlichkeit den
wahren Sachverhalt durch Berichte, die in einem von dem Sohn Marcel
Herwegh herausgegebenen Sammelband enthalten waren. Darüber hinaus
erfuhr man aus einer Fußnote des Herausgebers zu dem Bericht seiner
Mutter Emma Herwegh die Quelle jener allerliebsten Geschichte vom
Spritzleder, welche die Runde durch alle wohlorganisierten Lügenbureaux
deutscher Journalistik gemacht hat - so Emma Herwegh18.

Marcel Herwegh verweist in dieser Fußnote auf die Lebenserinnerungen
eines heute vergessenen tschechischen Autors, der 1847 in Paris mit den
Herweghs bekannt war, Alfred Meissner (1822-1885). In dessen 1884 unter
dem Titel „Geschichte meines Lebens" publizierter Autobiographie
liest man:

Die Welt behauptete, Herwegh sei unter dem Spritzleder eines Wägelchens,
das seine Gattin gelenkt habe, den Verfolgern entgangen. Auch wenn die
Geschichte wahr wäre, sähe ich nichts für die Ehre des Dichters Nachthei-

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