http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1999/0161
Die Bedeutung der Offenburger Forderungen von 1847
und 1849 für den modernen VerfassungsStaat
Prof. Dr. Jutta Limbach
Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts
Meine Damen und Herren,
Ihre Vaterstadt Offenburg war in der Mitte des vorigen Jahrhunderts wiederholt
Aktionszentrum der Badischen Revolution. Die hier am 12. September
1847 verkündeten Forderungen des Volkes markieren einen Beginn
deutscher Demokratietradition. Zwar war der Revolution kein Erfolg beschieden
. Doch das mit den Offenburger Forderungen gegebene Signal
leuchtete weit über das Ende der blutig niedergeschlagenen Freiheitsbewegung
hinaus. Die 13 Artikel vom 12. September 1847 haben die Idee der
Bürgerrechte ein für allemal in den Köpfen verankert. Mit ihren Freiheitsrechten
und sozialen Forderungen hat das Offenburger Dokument zukunftsträchtige
Impulse für das rechts- und sozialstaatliche Verfassungsdenken
im vorigen wie in diesem Jahrhundert gesetzt. Gegenüber den konservativen
Verfassungen des 19. Jahrhunderts haben die Forderungen als
Gegenprogramm gewirkt. Sie waren der Pfahl im Fleische der Reaktion.
Für die späteren demokratischen Verfassungen der Weimarer und der Bundesrepublik
haben sie als Herausforderung gedient.
Die Autoren des Offenburger Aktionsprogramms waren von dem zentralen
Motiv bestimmt, das Verhältnis zwischen der Staatsmacht und dem Volk
auf eine neue Ebene zu stellen. Ihr Ziel war eine schriftlich niedergelegte
Verfassung, die die Freiheitssphäre der Bürger durch Grundrechte garantiert
und die Grenzen der Staatsgewalt festlegt.
In den Offenburger Forderungen ist von den unveräußerlichen Menschenrechten
die Rede. Mit diesem Rückgriff auf das Naturrecht wollten Ihre
Vorfahren deutlich machen, daß die eingeklagten Rechte - etwa der Geistesfreiheit
- nicht der Gnade des Monarchen zu verdanken sind. Sie beanspruchten
diese Freiheiten als ein Vernunft- oder gottgegebenes Recht.
Das Naturrecht hat bei der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Menschenrechte
eine große Rolle gespielt. Gleichwohl gilt es zu bedenken, daß
die Menschen- und Bürgerrechte dem Verfassungsgeber nicht „von Natur
aus" auf- oder vorgegeben sind. Vielmehr sind sie in politischen Kämpfen
erstritten und erst nach wiederholten Startversuchen in die Demokratie
durchgesetzt worden. Das Formulieren von Menschen- und Freiheitsrechten
war immer eine politische Auseinandersetzung mit einem autoritären
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