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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 244
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trug und wie der moderne Konflikt von Arbeit und Kapital auf Vormärz-
und Revolutionsereignisse in der Stadt einwirkte. Die „Großbourgeoisie"
als Gegner der liberalen Bewegung ist häufig beschrieben worden, wird jedoch
„vor 1848 in Süddeutschland (als) ein untergeordneter Faktor"8 betrachtet
, was das Lahrer Beispiel umso interessanter macht.

Um die Dimensionen zu verdeutlichen: 1848 versteuerten die vier großen
Fabrik- und Handelshäuser Hugo, Trampler, Lotzbeck und Voelker
annähernd 500 000 Gulden, was bei einem Gesamtsteuerkapital Lahrs von
rund 3,8 Millionen Gulden9 fast 15 Prozent ausmachte. Neun größere Fabriken
beschäftigten zu diesem Zeitpunkt mindestens 800 Menschen, wobei
man sich hüten sollte, diese umstandslos als „Proletariat" zu bezeichnen
. Ein Viertel und mehr von ihnen waren Frauen, ein beträchtlicher Teil
kam von außerhalb10. Immerhin bestanden nach Ausweis der Steuerkataster
1848 rund 30 Prozent der Lahrer Steuerzahler aus Fabrikarbeitern
(12,5 Prozent) und Taglöhnern (18,8 Prozent), was die Untergrenze sein
durfte.11

Unterschichten und Republikanismus

Wo diese Menschen - nennen wir sie mal etwas undifferenziert Unterschichten
- politisch standen, ist kaum auszumachen. In den Konflikten
tauchten sie höchstens als Adressaten auf, die gängigen Methoden, Träger
politischer Bewegungen zu bestimmen, versagen bei ihnen. Weder in Unterschriftenlisten
noch in Mitglieder- oder Vereinsvorstandsverzeichnissen
stehen ihre Namen, nur ganz selten finden wir hier einen Gesellen oder
Taglöhner. Freilich ist auch dies schon ein Befund, der sich deuten läßt: Initiatoren
liberaler Reformen oder Subjekte lokaler Konflikte waren sie
nicht. Auch Hungerkrawalle sind nicht überliefert, zumindest dies konnte
die Armenpolitik der reichen Stadt Lahr verhindern.

Läßt man jedoch die Unterschichten bei der Rekonstruktion vormärzlicher
Verhältnisse außer Betracht, bekommt man notwendig ein schiefes Bild.
Schon aufgrund ihrer schieren Zahl waren sie ein wichtiger Faktor der
Lahrer Innenpolitik, spätestens die Gemeindereform von 1831 mit ihrem
weiten Wahlrecht machte sie zu einem Machtfaktor. Als Fabrikarbeiter und
-arbeiterinnen waren sie zudem sozioökonomischer Gegenpol zur großen
Bourgeoisie, Verkörperung des Gegensatzes Arbeit-Kapital, der die weitere
Geschichte nach 1849 bestimmen sollte. Das Lahrer Bürgertum hatte seit
den frühen dreißiger Jahren ein Bewußtsein dieses Gegensatzes, die Furcht
vor drohendem „Communismus" war eine einflußreiche Konstante seiner
Ideologie.12

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