Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 302
(PDF, 129 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1999/0302
Sammlung schickten, als dort die Lesung der den Unterricht betreffenden
Verfassungsartikel anstand. Auf protestantischer Seite waren für die konservativ
ausgerichteten „Pietisten" die Forderungen nach Freiheit von
kirchlicher Bevormundung gleichermaßen unannehmbar.54 In die erregt geführte
Debatte über die Beibehaltung oder Abschaffung der kirchlichen
Schulaufsicht, eine „kulturkampfähnliche Auseinandersetzung",55 griff
man also auch von Schiltach und Lehengericht ein, in Form einer Petition
an die Nationalversammlung in Frankfurt:

Hohe konstituierende Nationalversammlung! Petition der unterzeichneten Mitglieder der
Gemeinde Schiltach gegen die von der ultramontanen Partei verlangte sogenannte Unterrichtsfreiheit
und für Anerkennung und Gewährleistung der Jugendbildung auf Staatskosten
und in Staatsanstalten als eines Grundrechtes des deutschen Volkes.

Vielleicht die größte Zahl der Übelstände des sozialen Lebens der Gegenwart hat den
Grund in der bisher vom Staate unverantwortlich vernachlässigten Bildung und Erziehung
der Jugend. Der Staat verwendete unerschwingliche Summen auf die Besoldung eines Heeres
von Polizeibeamten und Schreibern, aber für Volksschullehrer hatte er nie Geld, und die
Gemeinden konnten mit ihren beschränkten Mitteln diese nie so stellen, daß man erhöhte
Anforderungen hätte an sie machen können. Denn wie der Lohn ist, so muß die Arbeit sein.
Es lag im Interesse des Polizeistaates, der nur auf Unterdrückung der Freiheit und auf immer
größere Belastung des Volkes ausging, daß die Jugend nicht zu sehr unterrichtet werde,
denn wo Bildung ist, hört die Unterdrückung auf. Darum wurden Schullehrer in erbärmlichen
Verhältnissen gelassen, darum mußten sie von den Gemeinden, die keine Mittel haben,
besoldet werden. Obgleich die Geistlichen große Besoldungen haben und ebenso überflüssige
Zeit, obgleich sie allein berufen sind, die Religion zu pflanzen, so mußten dennoch die
Schullehrer den Religionsunterricht ertheilen, damit diese vor lauter Katechismus und Gesangbuch
ja nicht in anderen Dingen unterrichten konnten, welche den Menschen aufklären
und bilden.

Wenn nun in der neuen Zeit, welche uns eine neue Staatsordnung bringen wird, die sozialen
Übelstände schwinden sollen, wenn die Armuth vermindert, und jeder Mensch in den Stand
gesetzt werden soll, seine Freiheit und sein Recht zu behaupten, so muß der Unterricht der
Jugend erweitert werden.

Die Gemeinden sind aber nicht im Stande, die Lehrer so zu besolden, wie es ihrer Arbeit
angemessen ist, und so lange die Besoldung der Lehrer so gering ist, so lange können diese
für ihren Beruf die gehörige Ausbildung nicht erwerben, denn auf die Vorbereitung zu einem
Berufe, der nichts als Nahrungssorgen einträgt, kann Niemand Geld verwenden.

Und so lange ferner die Lehrer den Religionsunterricht zu ertheilen haben, während die
Geistlichen in Ruhe leben, so lange ist es ihnen unmöglich, mehr Zeit auf die Unterrichtsfächer
zu verwenden, die eigentlich für das Leben vorbereiten.

Es ist also klar, daß, wenn die Bildung der Jugend erweitert werden soll, der Staat die Besoldung
der Lehrer übernehmen und den Religionsunterricht den Geistlichen zuweisen
muß. Dann wird es möglich sein, die Lehrer besser zu besolden; diese werden sich besser
ausbilden können, und sie werden überdieß Zeit haben, in allen, fürs Leben nöthigen Gegenständen
Unterricht zu ertheilen. Die Schule wird eine Staatsanstalt sein und der Staat
wird sie durch Sachverständige beaufsichtigen lassen.

302


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1999/0302