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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 366
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KPF-Chef Robert Hue - seine Partei ist in der Koalition mit Lionel Jospin
! - die „totale Frische" im Denken von Karl Marx und sprach von
der „Radikalität der Erwartungen des französischen Volkes"; seine Partei
werde sich nicht „im Nebel der Sozialdemokratie" verlieren. Hat
man in Deutschland in diesem Jahr ernsthaft über Marx diskutiert, auch
150 Jahre danach?

2) Hat die Revolutionsfolkore des vergangenen Sommers tatsächlich unsere
Sensibilität für politische Entwicklungen und erkennbar notwendige
Reformen verstärkt? Hilft die 48er-Debatte um individuelle Freiheiten
und soziale Gerechtigkeit auch vor dem Hintergrund der europäischen
Integration, auch der allgemeinen weltweiten Migration? Leben wir alle
selbst die Grundsätze, die allenthalben so lautstark in unserer selbstgerechten
und so heuchlerischen Gesellschaft deklamiert werden? Mischen
wir uns in der Mehrzahl nicht erst dann ein, wenn es um unsere
egoistische Rechtsposition, um unsere Interessen und um die Abwehr
von Nachteilen geht? Und ist das „Menschenwürde-Argument" nicht
einfach nur in unserer Schlagwortkultur im Aufwind, praktisch aber
schon zur billigen Münze verkommen?

3) Wir brauchen eine „wehrhafte Demokratie"; aber sind wir uns einig, wo
sie und durch wen sie gefährdet ist und durch wen sie wie zu verteidigen
ist? Kommen wir noch einmal zu sprechen auf Friedrich Hecker
und Gustav Struve und ihre Anhänger: Sie erträumten - vielleicht - eine
ganz ideale Gesellschaftsordnung, aber sie waren alles andere als verantwortungsbewußte
Realpolitiker. Ich akzeptiere voll und ganz das Urteil
von Robert Blum, der damals einen gewaltlosen Weg zu neuen politischen
Formen und Rechten suchte und schließlich zum Märtyrer der
Revolution wurde, in der heutigen Wertschätzung aber lange nicht die
verdiente Würdigung erfährt. Er erklärte48: Hecker und Struve haben
das Land verraten nach dem Gesetz - das wäre eine Kleinigkeit; aber
sie haben das Volk verraten durch ihre wahnsinnige Erhebung; es ist
mitten im Siegeslauf aufgehalten worden; das ist ein entsetzliches Verbrechen
. Es ist ernsthaft zu fragen und wir tun dies, wozu die Paulskirche
in der Lage gewesen wäre ohne das abenteuerliche Störfeuer, das
z. B. aus Baden kam, entfacht durch kompromißlose, kraftmeierische
Männer, die in maßloser Selbstüberschätzung auch viele andere in ein
tragisches und klägliches Debakel führten. Wie Dr. Friedrich Hecker litt
auch Gustav Struve an Überheblichkeit und Verantwortungslosigkeit;
man lese seine Autobiographie49, in der er alle seine Aktionen idealisiert
, die Schuld am Mißlingen allen andern, den Feiglingen und Verrätern
gibt. Erinnern wir uns wieder an das Urteil der meisten Zeitgenossen
dieser „Helden"; für sie war Hecker „noch nicht in ein solches politisches
Marionettentheater entrückt", so Lothar Gall50. „Für sie war er
ein gewalttätiger Sozialromantiker", der „eine Art Karnevalszug" insze-

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