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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 404
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1999/0404
staltung der Strebepfeiler orientierte sich der Architekt an Lechlers Vorgaben
. Selbst Details wie die Proportionierung der Fensterpfosten und der
Gewölberippen stimmen mit den Regeln der Werkmeisterbücher, in diesem
Fall der „Unterweisungen", überein.

Nachdem ich den Einfluß der Werkmeisterbücher auf die spätgotischen
Kirchen St. Peter und Paul in Bühl und Maria Linden in Ottersweier in
meinen bereits erwähnten Publikationen nachgewiesen habe, kann man davon
ausgehen, daß die Proportionslehren dieser Schriften beim Entwurf
von Sakralbauten im 15. und 16. Jahrhundert in Mittelbaden eine gewisse
Allgemeingültigkeit besaßen. Während es sich bei St. Peter und Paul und
Maria Linden um komplette Neuschöpfungen des Spätmittelalters handelt,
nimmt St. Johannes der Täufer eine Sonderstellung ein. Bei dieser Chorturmkirche
, einem für die Ortenau charakteristischen Bautypus, wurden
der romanische Turm und offensichtlich auch das Langhaus in den Bau
von 1517 integriert. Obwohl der Architekt bei seinem Entwurf Rücksicht
auf das bestehende Gebäude nehmen mußte und durch dieses in seiner Gestaltungsfreiheit
eingeschränkt wurde, blieben die Proportionslehren der
Werkmeisterbücher für ihn maßgebend. Dies ist von großer Bedeutung,
denn damit ist erstmals der Nachweis gelungen, daß diese Gesetzmäßigkeiten
nicht nur bei vollständigen Neubauten, sondern auch bei der Erweiterung
bestehender Kirchen Anwendung fanden. Gerade für die Ortenau als
Chorturmlandschaft ist dieses Ergebnis wichtig, denn die Erweiterung dieser
kleinen Gotteshäuser, die zu einem beachtlichen Teil der Romanik und
Hochgotik angehören, war aufgrund der steigenden Bevölkerungszahlen
im 15. und 16. Jahrhundert oft unvermeidlich.

Der Vergleich spätgotischer Sakralbauten im süddeutschen Raum mit den
Proportionslehren der Werkmeisterbücher bleibt nach den erfolgreichen
Untersuchungen der drei Kirchen in Ottersweier und Bühl eine wichtige
Aufgabe der Forschung. Aufschlußreich wäre eine vollständige Erfassung
aller Gotteshäuser in der Ortenau, die entweder im 15. und frühen 16. Jahrhundert
neu errichtet wurden oder größere Umbauten erfahren haben. Voraussetzung
ist natürlich, daß der Chor erhalten ist oder zumindest in Form
einer Bauaufnahme überliefert wurde, denn ohne das Grundmaß der lichten
Chorweite ist keine Überprüfung der Abmessungen dieser Gebäude
möglich. Eine im Hinblick auf die Architekturtheorie der Werkmeisterbücher
repräsentative Untersuchung einer geschlossenen süddeutschen
Kulturlandschaft würde die Allgemeingültigkeit der Proportionslehren
endgültig beweisen. Das einer solchen Aufgabe Erfolg beschieden sein
wird, ist nach den vielversprechenden Ergebnissen, die sich im Zusammenhang
mit der spätgotischen Erweiterung der romanischen Chorturmkirche
St. Johannes der Täufer und den beiden kompletten Neuschöpfungen des

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