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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 563
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Der „Lahrer Hinkende Bote" und seine Vettern. Zum
200jährigen Jubiläum des „Lahrer Hinkenden Boten".

Reinhart Siegert

Die Frage, wie die seltsame Namensgebung „Hinkender Bote" zu erklären
sei, ist beim „Lahrer Hinkenden" ganz einfach zu beantworten. Johann
Heinrich Geiger, der ihn auf das Jahr 1801 zum ersten Mal herausgab, hätte
vielleicht die Frage umgekehrt: „Wie sollte denn ein Volkskalender sonst
heißen?" Denn der „Lahrer Hinkende" hat Dutzende von Vorgängern dieses
Namens. Sie alle haben eines gemeinsam: was auch immer sonst noch
auf dem Titelblatt abgebildet sein mag1, nie2 fehlt ein Mann mit unübersehbarem
Stelzfuß. Meist trägt er eine alte Uniformjacke; eine Hand
braucht er für den lanzenähnlichen Stab, auf den er sich stützt, in der anderen
hält er oft einen Kalender, auf älteren Abbildungen auch oft einen
Brief, den er aus seiner Umhängetasche nimmt. Die Uniformjacke weist
ihn als ehemaligen Soldaten aus, als Kriegsinvaliden; was er in der Hand
hält, deutet auf seinen neuen Lebensunterhalt hin: er ist Bote.

Und zwar nicht einfacher Briefträger: oft sind im Bildhintergrund Schlachten
, Naturkatastrophen oder andere trotz ihrer Ferne wichtige Dinge zu sehen
, und auch der halb amtlich wirkende Botenstab und das zum Teil
größere Publikum, das sich um ihn schart, zeigt, daß mit ihm die große
weite Welt und das Weltgeschehen in die dörfliche Enge der meisten Zeitgenossen
kam. Als vor 200 Jahren der „Lahrer Hinkende Bote" zum ersten
Mal erschien, lebten in unseren Breiten noch drei Viertel der Menschen auf
dem Land: in Einzelgehöften, Dörfern und kleinen Ackerbürgerstädtchen.
Sie waren in einem für uns unvorstellbaren Maß ortsgebunden; „Freizeit"
und „Urlaub" wurden erst allmählich erfunden, und das Reisen war in der
Zeit vor den ersten Eisenbahnen eine teure, umständliche und unbequeme
Angelegenheit, die man denen überließ, die es von Berufs wegen tun mußten
: Kaufleuten, Fuhrleuten, Handwerksburschen, Hausierern - und eben
den Boten. Boten waren es, die dringende Nachrichten von Dorf zu Dorf
brachten, die kleine Besorgungen für die Dörfler in der Stadt erledigten,
die amtliche Erlasse den Dorfschultheißen zustellten; die Post reichte nur
in die größeren Orte längs der Poststraßen. Darum sieht man auf vielen
Kalendertitelblättern den Postreiter in friedlicher Koexistenz mit dem Hinkenden
Boten - der Hinkende Bote war das letzte Glied in der Informationskette
, die Nachrichten aus der ganzen Welt ins Haus des „kleinen Mannes
" brachte. Der Brief in seiner Hand ist denn auch oft auffällig groß und
mit einem Siegel versehen - offenbar eine Botschaft von Wichtigkeit. Bo-

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