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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 586
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Neudorf liegt relativ nahe am Zentrum und ist doch eine Welt für sich. In
den dreißiger Jahren war es das am stärksten expandierende Viertel von
Straßburg6. Man findet es, wenn man, vom Zentrum kommend, die völlig
überdimensionierte, laute und häßliche „Place de l'Etoile" überquert, die
Neudorf von der Innenstadt eher trennt, als mit ihr verbindet. Glücklich auf
der anderen Seite angekommen, ändert sich mit einem Mal das Bild: Man
ist umgeben von verwilderten Grünflächen, kleinen, verwinkelten Elsässer-
häuschen, durch die sich heute statt einer Blechlawine die leise summende
Trambahn schlängelt. Nicht nur die Mieten waren und sind hier deutlich
niedriger als im Zentrum. Mit seinen vielen, engen Gässchen, Hinterhöfen
und unerwarteten Durchgängen dürfte das Viertel den deutschen Flüchtlingen
das Gefühl vermittelt haben, gut versteckt und damit vor dem Zugriff
der französischen Polizei (viele der Flüchtlinge waren illegal eingereist)
oder deutschen Nazi-Agenten sicher zu sein. Eine trügerische Hoffnung,
wie sich bald herausstellen sollte.

Doch warum überhaupt Straßburg? Dafür gibt es verschiedene Erklärungen
. Da wäre zunächst einmal die geographische Nähe zu Deutschland, die
es den Emigranten ermöglichte, illegale Schriften regelmäßig über den
Rhein zu schmuggeln. Auch die Distanz zu Paris und den dort konzentrierten
politischen Emigrantenorganisationen könnte für die - wie bereits erwähnt
- besonders auf „Unabhängigkeit" bedachte Straßburger „Szene" eine
Rolle gespielt haben. Hinzu kommt schließlich noch eine (vermeintliche
) politische Nähe: Straßburg hatte in den Jahren 1929 bis 1935 mit
Charles Hueber einen kommunistischen Bürgermeister, dessen Bündnis
mit den rechtsgerichteten Autonomisten den zumeist links stehenden Emigranten
anfangs wohl nicht bekannt war.

Der wichtigste Grund aber ist wohl die kulturelle Nähe. Auch im 1918 wieder
französisch gewordenen Elsaß spielte das Deutsche als Kultursprache
noch eine sehr wichtige Rolle, u. a. in der Presse. So ist es einer ganzen
Reihe deutscher Journalisten gelungen, bei deutschsprachigen Zeitungen
aus Straßburg Arbeit zu finden, allen voran bei der „Neuen Welt", den
„Dernieres Nouvelles de Strasbourg" (Titel der deutschsprachigen Ausgabe:
„Straßburger Neueste Nachrichten") und der „Republique". Auch als Mitarbeiter
und Redakteure des deutschsprachigen Programms von „Radio Strasbourg
" sollen sie eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben. Diese Integration
in bestehende Strukturen und die daraus resultierende enge (wenn
auch nicht immer konfliktfreie) Zusammenarbeit zwischen Deutschen und
Franzosen ist ein weiteres Merkmal der Straßburger Emigration.

Angesichts dieser Gründe überrascht es, daß die Straßburger Kolonie so
klein und v. a. so kurzlebig geblieben ist, denn schon 1934 begann sie sich

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