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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 627
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der gefürchteten Reaktionserscheinungen treten kaum in Geltung. Mit diesem bewußten
Fernhalten des schädlichen Giftes kommt der meist in seiner Funktion gestörte
Verdauungsapparat ganz von seihst wieder in eine natürliche Verfassung,
die früher mangelhafte Eßlust stellt sich wieder ein, und die körperliche Erholung
ist, untestützt durch eine kräftige, nahrhafte, reizlose Kost, in Bälde unverkennbar.
Diese aber ist immer Voraussetzung für die Beruhigung des stets geschädigten
Nervensystems und der Ausgleichung eines krankhaft veränderten Gemüts- und
Seelenlebens. Zur Behebung dieser innersten, oft schweren Schäden, dient eine geregelte
Ordnung aller täglichen Lebensbedingungen. Aufstehen, Mahlzeiten, Arbeitszeiten
, Ruhepausen, Erholung, Zubettgehen sind erzieherisch und zweckentsprechend
geordnet. Arbeit in Garten und Feld, Werkstatt und Stall, Haus und Hof
ist wichtiger Heilfaktor, wodurch Unterordnung, Pflichtbewußtsein, Selbstdisziplin
, Verantwortlichkeitsgefühl wesentliche Stütze finden . . .
Wichtigste Aufgabe ist eine umfassende Seelsorge im weitesten Sinn des Wortes.
Abgeschlossenheit, Ruhe und Stille des Heilstättenaufenthaltes bewirken, in Verbindung
mit einer fortschreitenden seelischen Ernüchterung, bei dem einen früher,
bei dem anderen später eine innere Aufgeschlossenheit für die Erkenntnis des eigenen
Seelenschadens und eine vertrauensvolle Empfänglichkeit für jede Aufbauhilfe
. Daraus erwächst die Aufgabe der Beratung und Führung auf allen Lebensgebieten
, die unter 4 Augen, in geregelten Vorträgen getätigt wird. . .
Wie alles Werden und Wachsen sich nicht erpressen und aus dem Boden stampfen
läßt, sondern seine naturgebundenen Ansprüche an die Zeit stellt, so erfordert die
Umschulung eines nur auf sich und sein Behagen bedachten, seiner Leidenschaft
verfallenen, unsozialen Menschen in einen soliden, fürsorglichen, pflichttreuen
Volksgenossen ihre Zeit. Leider erwachsen uns in diesem Punkte die meisten
Schwierigkeiten, sowohl durch unsere Pflegebefohlenen selbst als auch oft durch
die Angehörigen, die sich in vielen Fällen mit einer körperlichen Erholung begnügen
, sich durch ein gutes Wohlbefinden täuschen lassen, die tiefsten Zusammenhänge
ihres ganzen Zustandes aber noch nicht erkennen, uns aus der Schule laufen
. Da Einsicht und Kraft zu einer gründlichen Lebensumstellung noch nicht hinreichen
, verfallen diese Menschen der eigenen Schwäche und den Umwelteinflüssen
meist nur zu bald wieder. Erfahrungsgemäß ist eine Mindestzeit von 6 Monaten
notwendig, die in manchen Fällen sogar verlängert werden sollte.

Anfang der 30er Jahre ging die Belegung wieder extrem zurück, und die
Existenz der Heilstätte stand erneut auf dem Spiel. Am 23. 11. 1932
schreibt Herr Streich an die LVA Baden:

Fast sämtliche Sozialversicherungen, auf deren Mithilfe unser ganzes Werk eingestellt
war, haben seit etwa einem Jahr die Übernahme von Heilverfahren für Alkoholkranke
sehr stark eingeschränkt oder ganz abgelehnt. Und gerade Ihre Anstalt
hat ja von jeher ein großes Interesse für die Heilstättenbehandlung Alkoholkranker
gezeigt und sich an vielen Heilkuren finanziell in anerkennenswerter Weise beteiligt
. Seit etwa einem Jahr hat auch Ihre Anstalt die Beteiligung an Heilverfahren
wesentlich eingeschränkt. Wir verstehen die Notwendigkeit der gegenwärtigen
Sparmaßnahmen wohl, müssen es aber von unserem Standpunkt aus überaus bedauern
, daß die Bekämpfung des Alkoholismus, der in seinen gesundheitlichen,

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